Rosalie Schüttler an Freund Theo Hoffmann, 11. September 1943
11.9.43
Lieber Theo!
Ich bin so unruhig über Dein augenblickliches Schicksal. Nur noch schwer kann ich gegen all meine Angst und Sorge ankommen. Die Wehrmachtberichte gleichen wieder denen vom vergangenen Winter: heldenmütige Abwehrkämpfe, schwere Verluste des Feindes,... planmäßig geräumt. Mein Gott, wie viel sagt das doch und immer handelt es sich um das Gebiet, in dem Du doch jetzt Dich befinden musst. Wo, ach wo magst Du nur sein, und wie mag es Dir gehen - es ist furchtbar, so gar nichts zu wissen und zwischen Fürchten und Hoffen hin- und hergerissen zu sein. Wenn ich Dich doch wieder in einem Lazarett ein klein wenig gesichert bei Deiner Arbeit wüsste!! Der meinigen - Vorbereitung der Markenausgabe - bin ich heute davongelaufen, es hat mich nicht im Hause gelitten, und ich bin lange kreuz und quer durch den Wald gefahren, bis ins Bergische Land hinein. Es war wohl die letzte Sommerfahrt. Über der ganzen Landschaft liegt eine eigentümliche Stimmung, ein blauer
Hauch ist über den Wäldern, die Sonne ein wenig verhalten, die Luft so bittersüß, und das Blau des Himmels und das Lila der Heide sind matter geworden. Es liegt wie weiche Müdigkeit über allem. Auf einem Hang, den ich mühsam mit dem Rad erklettert hatte, rastete ich eine Weile, hingegeben an diese Stimmung. Es waren aber vielerlei Gedanken in mir, und ich hätte so gern mit Dir sprechen mögen. - Ein kleines Wiesenglöckchen habe ich Dir mitgebracht, vielleicht ist es Dir ein lieber Heimatgruß - und lass es Dir sagen, wie sehr ich um Dich bange. Letzte Nacht wachte ich auf, als der Wind eine Nuss vom Baum herab gegen mein Fenster warf. Der Mond stand tief in rötlichem Schein. Ich musste an Dich denken, lange Zeit , und immer angstvoller wurde mir zumute. Es ist grausam, wenn einen in stiller Nacht solche Sorge überfällt, dann ist man allen Gedanken so wehrlos ausgeliefert und tiefe Niedergeschlagenheit breitet sich über den ganzen folgenden Tag aus. - Bitte sei mir nicht böse und versteh’ nur meine Unruhe, lieber Theo. Das ganze ist eine Bitte: Gib mir öfter Nachricht in dieser schlimmen Zeit.
Gott behüte Dich Tag und Nacht!
Deine Röschen