Rosalie Schüttler an Freund Theo Hoffmann, 5. Oktober 1943
5.10.43
Lieber Theo,
eben komme ich nach Hause aus dem Konzert, und ich muss Dir nur schnell erzählen, wie wunder-wunderschön es gewesen ist. Schon bei den ersten Tönen ergriff mich eine beglückte Freude, mir war, sie führte mich gleich hinauf auf ’weichen Boden’, ins ‘Licht’ und in ‘Götterlüfte’- ich bin noch gar nicht wieder auf der Erde. So weich und so gewaltig schien mir die Chormusik, überirdisch schwebend, bis sie in der letzten Strophe wahrhaft fällt ‘von Klippe zu Klippe’ und wie mit einem herzzerreißenden Klageruf endet. Und wie wundervoll ist zum Schluss noch einmal die Steigerung und das endliche sanfte Ausklingen. Du hättest es mithören müssen, lieber Theo!- Auch das folgende Violin-Konzert hat mich so sehr begeistert,
und die Bruckner-Symphonie - ich schicke Dir das Programm mit, so siehst Du, was ich hörte. Ich habe schließlich von den Tönen mich völlig mitnehmen lassen, ganz ohne Kritik und ohne jede bestimmte Vorstellung. Es war schön.
In meiner Erinnerung klingt aber immerfort das Schicksalslied - der Geist Hölderlins und der Geist Brahms, welch ein doppeltes Geschenk! Wärst Du doch dabei gewesen-
Gott behüte Dich lieber Theo!
Deine Röschen