Gisela W. an Theo Hoffmann, 5. Dezember 1943
Krakau, Sonntag 5.12.43
Mein lieber Tedd!
Hatte leider umsonst gehofft heute am Sonntag Post von Dir zu haben. So will ich wieder ein paar Zeilen senden. Ich sitze hier in meiner gemütlichen warmen Stube, geheizt wird Sonntag allein, und im Radio erklingt die Sendung für Soldaten von 16-18 Uhr. Ich hab ein bisschen Sehnsucht. „...laß uns heute glücklich sein“ – der Refrain des Liedes „Im Leben geht alles vorüber“ erklingt. – Heute ist Nikolaustag und wir sind mit Rosl, die bei mir wohnt, ganz traurig geworden, weil zu uns kein Nikolaus kommt. Früher lag da immer früh etwas in dem bereitgestellten Schuh oder auf einem Weihnachtteller, etwas für mich
Leckermäulchen. Ja, die Zeiten sind auch vorbei. Mit Rosl, die immerfort jammerte, habe ich so Mitleid gehabt, dass ich , da sie für ein Stunde wegging, ihr etwas aufgebaut habe, und zwar habe ich schnell ein paar Krokantkugeln (aus Haferflocken) fabriziert, die prima geraten sind, ihr eine Flasche mit Wodka auf den Tisch gestellt und mit Grünem und Kätzchen garniert. Ja, in der Not frisst der Teufel Fliegen. Die Hauptsache der Mensch freut sich. –
Im Augenblick bin ich erkältet und paar Tage nicht draussen gewesen. Wollt Dir gern ein Weihnachtpäckchen schicken, nach langem Herumfragen habe ich eine Zulassungsmarke geschnorrt, aber ich warte noch Deinen nächsten Brief ab, da ich die kleine Hoffnung auf Urlaub habe.
Unlängst war ich im Konzert der Münchner Philharmonie, es war unsagbar schön, besonders Bruckner. Da fällt mir wieder ein, wie wir in Bohnensack (?) waren und Du, statt Dir den Ort anzusehen, beim Radio hocktest und nicht mehr weg zu bekommen warst.. Was ich armes Weib mit Dir auszustehen hatte. Verfressen warst Du unheimlich. Einmal hatte ich abends für Dich 40 g Fett geopfert und dann hast Du noch gesagt: “Von so einem Fraß“ soll ein Mensch satt werden. Ich war ziemlich erschüttert, habe aber nichts gesagt, still geduldet und geopfert und bin doch glücklich gewesen. –
Du weißt ja gar nicht wie mein Zimmer aussieht, ich muss es Dir beschreiben, ja? Bzw. aufzeichnen.