Theo Hoffmann an Freundin Rosalie Schüttler, 10. Juli 1944
10.VII.44
Liebes Röschen,
habe Dank für Deinen lieben Luftpostbrief vom 30.6.
Nebenbei, Luftpost zirkuliert nicht mehr, es wird Mangel an Sprit und Flugzeugen sein, das dazu zwingt, partout, partout des mauvais signes.
Im übrigen nimmt alles seine Lauf, aber langsam. Was Du da als Seifenblase bezeichnest, ist eine, und zwar eine lächerliche wie alles seit Jahren: Phrasen, Schlagworte, Lügen. Wie unverschämt, wie dumm, wie gemein das alles war, dass man es nur vorausschauen konnte. Ohne es im Kern ernst zu nehmen, so habe ich doch darunter gelitten, weil die Freiheit fehlte des Leben und Leben lassen. Kurz überhaupt, weil ich unbeirrt und unbestechlich das Drama kommen sah, dessen Ablauf wir nun fühlen. Wie sinnlos ist alles.
Weißt Du, in den Jahren vor dem Kriege lebte ich in einer Art Abschiedsstimmung, Abschied von einer Zeit, von einer Welt, deren Größe und Möglichkeiten wir begriffen und wir konform sind und die wir hingeben müssen und damit Möglichkeiten unserer jugendlichen Existenz.
Und dass der Tod solch grausame, furchtbare Ernte halten würde, wie ahnten wir es und fürchteten es; aber mehr aus Feigheit. Doch was bleibt uns, die wir noch standgehalten, wenn wir es überleben sollten? Ich weiß es nicht und dies bleibt mir ein fortwährend bedrückender Gedanke. Sollten wir wieder zu spät kommen? Es scheint fast so, fühle ich mich den kommenden Zeiten noch nicht gewachsen.
Wie Du Kornblumen liebst, so liebe ich sie auch. Dieses tiefe, unvergleichliche Blau, Inbegriff der Sommerseligkeit, hoher Tage, die auch so schnell vergehen. Was macht Deine Musik? In diesen Tagen hohen Sommers, noch abends musst Du Dich intensiv dem Zauber trunkener Musik hingeben. Und wenn Du am Abend die Fenster des Zimmers öffnest, der Abend hernieder sinkt mit seiner Schwermut und seiner Fülle, dann höre die „Scheherazade“, und wir werden uns nahe sein in diesen märchenhaften Klängen, die uns in ihrer überwältigenden Schönheit besänftigen und trösten.
Dein Theo