Theo Hoffmann an Freundin Rosalie Schüttler, 30. Januar 1945
30.I.45
Liebes Röschen,
der versprochene zweite Brief folgt schneller als ich ihn Dir annoncierte. Ich bin überglücklich, Post von meinen Eltern gestern erhalten zu haben, und zwar noch gute Nachrichten. Du glaubst nicht, welches Glück ich beim Lesen dieses Briefes empfunden habe. Aber ich höre auch, dass Ihr in Heumar arg betroffen seid, mein Vater wollte von Nanna von der Lohe wissen, dass Dein Heim bei den Angriffen verschont geblieben war. Möge es der Wahrheit entsprechen – und möge Gottes gnädige Hand weiter Euch behüten!
Weißt Du, liebes Röschen, ich gedenke noch oft der wunderbaren Stunden bei Dir, dieser Stunden des Hochgefühls inmitten einer einstürzenden Welt, in der die Menschen an einem Sinn des Lebens verzweifeln müssen – diese armen geschlagenen Wesen, es dauert zwar die Erkenntnis, nun da die katastrophalen Demonstrationen so eindrucksvoll gesteigert sind – aber sie haben noch immer nicht begriffen, worum es letztlich geht. Weißt Du, wir lernten uns ja erst im Regiment des Krieges kennen, aber schon damals in Rothenburg sprachen wir über dieses Unglück der Welt, welches mich schon seit meiner Jugend immer in den dunkelsten Ahnungen und Überlegungen beschäftigte. Wie eine Insel hohen Lebensgefühls empfanden wir diese Stunden im Dezember gemeinsam, entsinnst Du Dich noch der Erschütterungen,
diesen überwältigenden Strom des 1. Satzes der 9. Sinfonie Beethovens. Oder das Austauschen der Weltentrauer im Konzert Rachmaninows? Welche Welten, welche Höhen!
Liebes Röschen, ich danke Dir für Deine Mitteilung, - so sorgsam instruiert waren die Überbringer dieser ach so glücklichen Nachricht - wie auch für Deinen langen lieben Brief, der mich mit soviel Liebe überhäufte. Was hast Du nicht alles für mich getan, ich fühle mich so furchtbar schuldig. Liebes Röschen, wie soll ich es Dir danken? Wie die Affäre jetzt auch weitergehen mag, ich werde mit allen Umständen versuchen, im entscheidenden Moment nach Westen Boden zu gewinnen. Einen Koffer mit allerlei Habseligkeiten lasse ich schon jetzt weggehen durch Patienten, die in Richtung Siegen fahren. Sie sollen ihn nach Möglichkeit bei Fisch, Hofgut Stöcken über Fröndenberg, abgeben.
Der Name des einen lautet: Feldwebel Ludwig Eichert, Herborn, Dillkreis, Reulerberg 12. Des anderen: Toni Kunz, Hachenburg. Westerwaldbrauerei.
Hier werden die Sachen bestimmt verloren gehen.
Liebes Röschen, ich will schließen in der Hoffnung, bald wieder einen Brief von Dir in den Händen zu halten.
Lebe recht herzlich wohl
Wie immer der Deinige
Theo