Horst Schmitt an seine Eltern, 9. Mai 1942

Nagold, 9.V.42

Liebe Eltern.

Endlich komme ich dazu, Euch einmal zu schreiben. Um vorwegzunehmen, es hat alles geklappt. Schon in Bocholt fing es an. Ich war um 5 Min. nach 10 Uhr am Bahnhof und hatte Zeit in den Zug einzusteigen. Die Fahrt bis Bochum war dann weniger ereignisreich. Ich habe nur festgestellt, dass die Ansicht die man von der Bahn auf die Ruhrstädte, nicht schön ist. So ist zum Beispiel die Umgebung der Hauptbahnhöfe in Mühlheim Bochum geradezu schäbig. Als ich vor dem letzteren stand, konnte ich nicht erfahren, wo die Strasse, in der Holzhäuser wohnen, sich befand, bis mir eine Frau sagte, ich solle mich an den Bahnhof der Elektrischen wenden. Dort erfuhr ich denn das Nähere. An der Haltestelle angekommen, stand denn Frau Holzhäuser, die mich froh begrüsst, noch ganz wie damals. Wir gingen dann gemeinsam zur Wohnung. Unterwegs klärte sie mich dann auf, weshalb keiner vom Bahnhof mich abgeholt hatte: die Karte, die wir geschickt hatten, war nämlich erst eine halbe Stunde vorher in Bochum angekommen. In der Gottfried-Keller-Str. angekommen, wurde ich dann von Herrn Holzh. und den Kindern besonders stürmisch begrüsst. Die beiden Kleinsten, 3 und 5 Jahre alt, fielen mir sogar um den Hals. Dann kam Jochen. Die Begrüssung könnt Ihr Euch vorstellen. Nach langem Pallaver assen wir gemeinsam um 15.30 zu Mittag und um 16.45 zu Abend. Um 17 Uhr war ich dann am Bann, wo die ganze Belegschaft von Trans-

portbegleitern und HJ-Führern aus dem Bann Bochum auf mich warteten. Welche Ehre, nicht wahr. Dass ich nicht lache!! Wir sollten nämlich schon um 17 Uhr am Bann sein. Ich verabschiedete mich dann bei Jochen, der mich zum Bann begleitet hatte und bedankte micht für die freundliche Aufnahme, die mir sehr viel Freude gemacht hatte. Nur war ich von allen Bekannten abgeschnitten, und jetzt fing das Lagerleben an. Ich erfuhr hier alles nähere: dass ich ein Lager bekam von 60 Jungen, einen Unterführer, der in Ordnung ist und eine herrliche, fabelhafte Umgebung. Was ist Bocholt gegen dies wunderbar gelegene Nagold? Was ist Bocholts Umgebung im Vergleich zu der, die uns umgibt? Um 18 Uhr waren alle Jungen vor dem Hauptbahnhof versammelt. Nach langem Durcheinander, - die Eltern störten sehr, - fuhr der Zug endlich um 20,00 Uhr ab. Jetzt kam dasselbe wie damals, nur dass es stockfinster war. Wir fuhren 14 Stunden bis Eutingen im Sonderzug mit 2-Klass-Wagen über Stuttgart. Dort hatten wir 4 Stunden Aufenthalt, sodass wir einen Marsch durch die Gegend machten, um den Schwarzwald schon etwas kennen zu lernen. Denn die Gegend ähnelt sehr der im Schwarzwald. In Nagold angekommen, wurden wir vom Ortsgruppenleiter begrüsst. Dann gings zum Lager. Dies liegt nun einfach grossartig. Stellt Euch einen Kessel vor der zu beiden Seiten schmale Ausgänge hat, durch die wir aber nicht sehen können. Im Tal selbst liegt das 5000 Einwohner zählende Städtchen, durchflossen von der Nagold, einem bachähnlichen Gebilde. Die Gebirge, welche den Kessel einschliessen, sind von hochstämmigen

 

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