Jochen an Horst Schmitt, 27. Juni 1942

Bocholt, d. 27.6.42.

Lieber Horst!

Deinen Brief habe ich erhalten, und den recht anschaulichen Schilderungen bin ich mit Freude gefolgt. Bis jetzt hast Du ja allerhand dort erlebt besonders in puncto „Krankheit“ bei Dir und Deinen Jungen.

Rudolf hat mich in die ganze Sache mit H.T. eingeweiht. Ich glaube, daß das Dir auch recht ist. Ebenfalls hat er mir die Beichte der oben genannten Person erzählt. Wenn ein Mensch derartiges sagen kann und mit guten Vorsätzen auf dem einmal gefaßten Beschluß besteht, ist er nicht schlecht, selbst wenn sie mit diesem oder jenem gelaufen ist. Darauf hin habe ich sie mir einmal angesehen und finde, worin mir auch Rudolf zustimmt, (soweit ich urteilen kann) sie nicht mehr ganz so stolz und hochfliegend, also ganz manierlich. Wenn ihr Gefühlsausbruch Rudolf gegenüber auf Wahrheit beruht, und das glaube ich schon, denn gerade eine Frau sagt so etwas nicht allzu leicht, dann kann ich Dir nur zu ihr gratulieren, Du scheinst nämlich einen großen Einfluß auf sie zu haben. Von uns hat nun jeder ein Bild von Dir. Auf unsren Wunsch hin, der durch Helmut an Deine Mutter gerichtet wurde, hat diese uns beiden, Rudolf u. mir, freundlicherweise 3 Bilder überlassen, und zwar mit Wehrmachtsuniform. Großartig sind die gelungen und uns lieber als trockene Paßbilder. Das 3. Bild haben wir, Deine Zustimmung voraussetzend, einer 3. Person, die es wohl ebenfalls, allerdings mit noch ganz anderen Gefühlen mit sich tragen wird, überlassen. Rudolf hat es ihr bereits ausgehändigt. Ich war nicht dabei, weil ich in Bocholter Kreise und speziell nicht in Tennisklubkreise hineinriechen möchte und auch nicht übermäßig bekannt werden will. Man

würde sich über meine „Sonderlichkeit“ nur noch mehr aufregen als es jetzt schon geschieht. Stimmt das Latrinengerücht von Deiner baldigen Wiederkehr? Wir beide würden uns ein Bein ausfreuen, wenn es so wäre. Ob wir eingezogen werden oder noch nicht scheint allem Anschein nach noch nicht festzustehen. Einige 24.er der Klasse 7 haben bereits ihren Gestellungsbefehl bekommen und bekommen das Abitur nachgeworfen. Ich hoffe, daß man es mit uns im nächsten Jahre ähnlich machen wird, oder daß man uns Gelegenheit gibt, vorher schon das Ziel der Klasse 7 zu erreichen. Mit einer 24 jährigen Verurteilung zum aktiven Offizier kann ich ja leider nichts anfangen, sonst würde ich das wohl tun. Bernhardt Thewes wird Montag also am 29.6. eingezogen. In der Klasse herrscht schon Ferienstimmung, die sich in viel Krach und ähnlichen Freundlichkeiten den Lehrern gegenüber, äußert.

Schreibe einmal bald wieder. Ich würde mich auf jeden Fall sehr darüber freuen. Sonst wünsche ich Dir alles Gute und eine baldige Heimkehr, die uns noch alle drei zusammentreffen läßt, das Triumvirat der 6 b.

Lot di’t god gohn! Oll Hus!

Dein Jochen