Horst Schmitt an seine Eltern, 18. August 1944

10

O. U., 18.8.44.

Liebe Eltern!

Vielen Dank für den Brief Nr. 6 vom 6.8.44. Ich habe mich sehr über ihn gefreut, weil er allerhand kleine Neuigkeiten enthällt. Die lange Briefpause meinerseits ist mir garnicht aufgefallen. Sollte da ein Brief verloren sein? Ich habe an Euch geschrieben am 29.7., 5.8. und am 12.8. Dies wäre also jetzt Brief Nr. 10. In der letzten Woche habe ich eine Reihe schöner Tage erlebt, d. h. was man hier schön nennen kann. Den ganzen Sonntag über haben wir nichts getan, sondern nur 4 Stunden Dienst und gegessen und

geschlafen. Montag begann ein 2 tägiges Übungsschießen auf einem 40 km entfernten Schießplatz. Die ganze Batterie marschierte dorthin schon um 3 h morgens. Die Herren Rekruten durften mit dem Zug fahren. Um 13,00 h ging erst der Zug ab. Morgens wurde gepackt. Dies war in einer Viertelstunde geschehen. Dann hatten wir frei. Einer ging nach Klinkby, dem nächsten Dorf, und holte Sahneeis und Plätzchen. Jeder hat ein Kochgeschirr voll Eis gegessen. Es hat herrlich geschmeckt. Hoffentlich gibt es das in absehbarer Zeit auch in Deutschland wieder! Die Fahrt mit der Bahn war schön. Sie fuhr bald so

2

schnell wie der Heideexpress. Ich dachte an schönere Zeiten, wo man noch als Zivilist die Bahn benutzen konnte. Daß wir hier 1. Klasse fahren, ist Selbstverständlich! Für die 40 Bahnkilometer brauchte der Zug 2 ½ Stunde. Noch 2 Stunden mußten wir mit dem Gepäck in heißer Sonne marschieren. Dies Marschieren haben wir in der letzten Zeit viel geübt. Wenigstens 200 km sind wir schon „gelatscht“. An die Blasen habe ich mich schon gewöhnt. Da hilft auch kein Fußpuder oder sonst etwas. Man muß warten, bis die Sohle hart geworden ist. Mit den Fußlappen komme ich noch aus. Ich schreibe schon, wenns nötig

ist. Abends wurden noch Zelte aufgebaut. Dann gings Schlafen. Ich schlaf mit Heinz und mit dem Sohn eines Kölner Finanzbeamten zusammen. Am nächsten Morgen ging es um 5 h los. Wir drei wurden zum ersten Geschütz kommandiert und machten nun zum ersten Male im Leben praktischen Schießdienst an der Kanone. Nur wenige von unserem Verein waren dabei. Etwa 100 Rekruten von anderen Batterien waren als Zuschauer da. Den ganzen Morgen dauerte das Schießen an. Mittags wurde ich zum Nachkommando, 1 Uffz. 6 Mann, kommandiert. Schnell wurden die Ziele, die nicht getroffen waren,

3

abgebaut und das Stroh zusammengekratzt. Dann ging es ans Faulenzen. Abends wurden Eier und Milch gegessen, bis wir satt waren. Dann wurden wieder Zelte gebaut, und es wurde herrlich geschlafen. Dass man Soldat war, wurde fast ganz vergessen. Erst um 8 h standen wir am nächsten Morgen auf. Wieder wurde 1 Stunde lang „gearbeitet“. Dann war die Tagesarbeit erledigt. Mittags gingen wir zum Bauer essen. Seit 7 Wochen zum ersten Male wieder aus Porzellangeschirr essen, war an sich schon wieder ein Genuß. Dazu kam noch, daß wir gebratenen Speck aßen, soviel wir wollten! Pudding

gabs auch noch. Nach dem Mittagsschlaf marschierten wir wieder zum Bahnhof im Eilmarsch zurück. In 1 ½ Stunden waren wir da. In Vemb, so hieß das Dorf, hat jeder über 1 ½ Liter Eis gegessen. Ein Genuß trotz der Masse! Wieder kam die schöne Bahnfahrt. In Lemvig hatten wir 3 Stunden Aufenthalt. Als Abendessen verzehrten wir in einem Kaffee Sahneteilchen. Um 00,00 h waren wir in der Falle. Am folgenden Morgen wurde wieder bis 8 h geschlafen. Dann machten wir uns fertig zum 5. Umzug. Es ging in die Feuerstellung. Sie liegt nicht weit von unserem ersten Quartier.

4

Jetzt wohnen wir in Bunkern mit 6 Mann. Selbstverständlich schlafe ich wieder mit Heinz zusammen. Heute habe ich mal wieder einen schönen Tag. Ich habe nämlich Extrawache ohne Nachtwache. Der Kommandeur kommt nämlich, und da müssen „zackige“ Kerle Wache schieben. Da heute unangenehmer Dienst ist, habe ich mich zur Wache gemeldet. Gestern war zum ersten Male Karabinerschießen. Ich schoß mit noch einem anderen bei jedem Schuß eine 12, was mit dem Hurra der Kameraden begleitet wurde. Vom Leutnant bekamen wir beide je 2 Kronen.

Wenn wir jetzt noch in Osnabrück gewesen wären, hätten wir 2 Tage Sonderurlaub bekommen!

Ich werde heute das erste Päckchen fertigmachen und Samstag das zweite für diesen Monat. Ich habe 3 Stücke 40 % Seife, 2 Zahnbürsten, 2 Nagelbürsten, 50 Rasierklingen, 5 Päckchen Puddingpulver, die Seife, die ich mitgenommen hatte und zwei Granatsplitter eingepackt. Letztere verwahrt mir bitte. Dazu lege ich die erhaltene Post. Legt sie bitte so, wie sie ankommt in eine Dose, nicht zu der Post, die ich Euch schreibe. Ich werde die erhaltene Post ab und zu nach Hause

5

schicken, da ich sie hier nicht gebrauchen kann. Speck und Schmalz ist hier nicht gut aufzutreiben. Deshalb konnte ich Euch sowas noch nicht schicken. Es kommt aber solches! Im nächsten Päckchen werde ich einige „Fressalien“, sprich Käse und Kakaopulver schicken. Ich denke, daß Ihr die Sachen gut gebrauchen könnt.

Hoffentlich kommen wir noch mal in eine erträglichere Gegend. Immerhin gibt es hier auch noch allerhand. Die Päckchenmarken, die ich Euch schicke, könnt Ihr für Helmut verwehrten. Der kann sie ganz gut gebrauchen. Ich habe hier alles, was man in Päckchen verschickt.

Für das Bild vielen Dank. Jetzt kann ich mich wenigstens manchmal vergewissern, was ich mal war! Wir steigen hier übrigens auch langsam wieder im Kurs. Die Jüngsten sind wir nämlich nicht mehr! Dazu sind alle Alten abgestellt, sodaß man auf uns angewiesen ist. Nur die R.O.B. der Alten sind noch da. Der Steverding ist auch in unserer Batterie jetzt, da alle R.O.B. der Abteilung zu uns gekommen sind. Ebenfalls ein ehemaliger Stubengenosse aus Osnabrück.

Grüßt bitte Fam. Looks und Kraatz. Mit den besten Grüßen verbleibe ich

Euer Ältester.