Jochen Kraatz an Horst Schmitt, 30. Mai 1942
Bocholt d. 30.5.42
Lieber Horst!
Daß es Dir gut geht, freut mich außerordentlich zu hören. Du scheinst auch in eine schöne Gegend gekommen zu sein. Kein Wunder daß Du Dich dann wohlfühlst. 60 Jungen hast Du bekommen? Das ist großartig und besonders das Durchschnittsalter ist sehr vorteilhaft. Einen Zugführer zur Entlastung Deiner Person wird Dir wohl gelegen gekommen sein. Wie ist denn Eure ‚Bude“ so im Gesamtbild innen und außen? Dein Lagerleiter muß ein zackiger Mensch sein von wegen „an einem Strick ziehen“ und so. Wenn das so bleibt, hast Du es genauso gut wie ich zuletzt, denn Zusammenarbeit mit dem Lagerleiter ist unbezahlbar für einen „Lamafü“. Wie klappt denn der Dienst? Hoffentlich segelt unter Deinen strengen Regieme nicht allzu viel aus den Fenstern hinaus in die grüne Geographie. Daß die Jungen, welche, wie Du schreibst, durchweg mit einer großen Klappe gesegnet sind, schon Freizeit und Dienst auseinanderhalten können, ist ein großer Fortschritt. Die einigen „Ausnahmen“, sprich „Blüten“, werden das auch noch lernen. Hast Du die „Giftzwerge“ um mit Ulle zu Sprechen, ganz neu und unverbraucht übernommen, und woher stammen die Jungen? Kameradschaft herrscht wohl auch und bestimmt mehr als im lausigen Bocholt, nicht wahr? Deinen Vornamen kennen sie auch u. gebrauchen ihn hoffentlich öfter als das dröge „Lagermannschaftsführer“. Du weißt, daß mich alles interessiert. Schreibe mit deshalb doch einmal ausführlich.
Hier geht alles seinen alten Weg. Schule ist Dir ja bekannt und es ist überflüssig, über all die alten Säcke, Lehrer sowie Schüler zu kommentieren. Außer unserem Freund Ulle, der nach wie vor ‚in Ordnung ist‘.
Alles andere Gesocks kann mich ...! Die Hitler-Jugend hat auch durchweg Arbeit für mich. So schreibe ich am laufenden Bande Artikel für die Zeitung. Nebenher wächst ein neues Bild. Rudolf ist auch in Anspruch genommen u. wir wünschen uns oft in Deine Lage, die Schule und andere hinderlichen Dinge nicht kennt.
Mein Bruder ist vor einer Woche für leider nur 14 Tage bei uns eingetroffen. Wenn man seine Verwundung auch recht stark sieht, so ist er immer noch derselbe und voller Humor und Lebensfreude. Ja, von den Landsern können wir noch allerlei lernen. Du kannst Dir denken, daß die vergangene Woche, neben dem Pfingsttreffen, welches in Velen stattfand, voll ausgefüllt war.
So! Jetzt muß ich Dir erst einmal eine Zigarre verpassen! Hm! Du .....!! Glaubst Du, ich kennte Deinen Hausnamen nicht? Ich möchte mir energisch, hörst Du, energisch verbitten, mir nochmals eine Karte ins Haus zu schicken, welche mit dem drögen: H. Schmitt unterzeichnet ist! Ulle und ich haben Dich beinahe verhauen wollen. Sei froh, daß Du nicht hiergewesen bist. Kommt also nicht nochmal vor! Verstanden?!! –
Nach diesem moralischen Fußtritt wünsche ich Dir alles Gute u. Schöne für Deine Arbeit und ermahne Dich väterlich, nicht allzuviel zu tun, es könnte schaden. Ebenfalls grüßen Dich meine Eltern u. Ulle, der es schon selber getan hat, oder es noch tun wird. Leb wohl! Altes Haus!
Dein Jochen