Horst Schmitt an seine Familie, 23. Juli 1942
Schloss Grafeneck, 23.VII.42
Ihr Lieben daheim!
Vielen Dank für Vaters letztes Schreiben. Ich habe gerade einen Brief von Rudolf beantwortet, der 12 Aktenbogenseiten lang war. Darin schrieb er allerhand interessantes. So z. B. hatte die jetzige Klasse 7 b am 1. Ferientag einen Kommers gefeiert. Es muss sehr schön gewesen sein! Auch hat unsere Klasse wieder mal einen Spaziergang gemacht. Das ist allen aufs Zeugnis vermerkt worden! Das sind so Neuigkeiten, über die man in der Fremde lachen kann.
Wie ich in Vaters Brief lese,
ist Mutter schwer am einmachen. Auf die leckeren Sachen freue ich mich jetzt schon. Vaters und meinen Namenstag hatte ich ganz vergessen. Ich wünsche dem Vater zum Namenstag alles Gute und danke Euch für die Grüsse zu meinem Namenstag.
Aber nun muss ich Euch eine grosse Neuigkeit berichten. Setzt Euch aber vorher hin, damit Ihr nicht vor staunen hinfallt. Ich gehe nämlich seit einiger Zeit Reiten und zwar auf richtigen Reitpferden. Wie Ihr schon wisst, ist ja hier in der Nähe ein staatl. Gestüt. Dahin werden wir, nämlich ein Zugf., ein
Feldscher und ich hingehen. Dort ist nämlich ein Reitlehrer, ein ehemaliger Oberleutnant der Kavallerie. Es soll ein strammer Reitlehrer sein. Aber dass ist uns ja gerade lieb. Augenblicklich gehen wir verbotener Weise in einem privatlichen Gestüt mit 45 Reitpferden. Da sind 2 Araber bei! Diese Pferde haben nun keine Sattel, da es am Leder fehlt. So kommt es, dass wir am abfallenden Hang im gestreckten Galopp auf einem Pferd heruntersausen, dass nur eine Trense im Maule hat. Steigbügel und Sattel sind unbekannt. So lernen wir also gleich die schwierigste Phase des Reitens kennen. Und das ist gut so;
denn wenn zum staatl. Gestütshof kommen, dann haben wir Zaumzeug und Sattel und dann geht es noch mal so gut. Wenn ich nach Hause komme, werde ich wahrscheinlich springen können. Jetzt, wo wir auf ungesattelten Pferden reiten, kommt es natürlich schon mal vor, dass einer in hohem Bogen vom Pferde fliegt. Ich bin allerdings noch nicht geflogen. Ich kann Euch verraten, dass das Reiten ein „pfundige“ Sache ist, und ich gehe mindestens jeden zweiten Tag zur Koppel.
Nun viele Grüsse an Euch alle von Eurem „Schlossgraf“