Horst Schmitt an seine Familie, 15. August 1942
Schloss Grafeneck, 15.VII.42.
Liebe Eltern! Lieber Bruder!
Zunächst vielen Dank für den langen Brief, den Ihr mir habt zukommen lassen. Der war ja sehr interessant.
Da wird am Anfang die Frage gestellt, ob ich noch Ende Juli nach Hause komme. Hierauf kann ich vorläufig noch nicht antworten; denn nähere Einzelheiten sind mir noch nicht bekannt. Bruhn kommt jedoch nächste Woche wieder nach hier. Ich werde ihn dann fragen. Beim letzten Besuch hat er mich allein sprechen wollen. Ich glaube, er ist sich bald selbst im klaren darüber, dass er mich ungerecht behandelt habe. Beim kommen-
den Besuch werde ich ihm das Richtige meinerseits schon sagen. Wenn Vater ihm dann nach meiner Rückkehr noch mal etwas schreibt, (falls er seinen Fehler nicht einsieht), so habe ich nichts dagegen. Ich werde, sobald er kommt ihn dann auch nach meiner Ablösung fragen. Habe ich bestimmt Nachricht, so schreibe ich sofort.
Am meisten habe ich über das „anders organisierte Denken der mathematisch denkenden Menschen“ gelacht. Das hat Vater wirklich prima geschrieben. Sollte das „unentschuldigte Fehlen“ mir irgendwo zum Nachteil werden, so brauche ich das bloss der Gauwaltung des
NSLB mitteilen, die dann schon das Nötige veranlasst. Ich habe nämlich mit dem Lagerleiter darüber gesprochen. Der hat mir alles klargelegt.
Dass Frau Schüler gestorben ist, wird den beiden Damen ja wohl viele Schmerzen bereitet haben. Ich bin froh, dass es gerade in meiner Abwesenheit geschieht. So brauche ich wenigstens nicht die Trauer mitzumachen.
Nun noch ein Wort für Helmut. Er soll sich beeilen mit dem Schwimmenlernen und nicht erst auf mich warten. Ich sehe nämlich viel lieber, wenn nach meiner Rückkehr sich wie ein Fisch im Wasser be-
wegen kann. Er findet doch sicher einer, der Ihm dabei helfen kann. Der Satz mit dem ersten Pelz ist ja wirklich gut.
Mutter wird ja wohl dieses Jahr den grössten Teil des Einmachens alleine machen müssen, ohne die tatkräftige Hilfe Ihres Ältesten, (die ja nebenbeigesagt meist in lesen und zusehen bestand.) Aber es wird ja auch so gehen. Ich glaube ja nicht, dass ich Ende Juli nach Hause komme; denn dann habe ich ja noch keine 3 Monate um. Aber Mitte August werde ich wohl kommen. Diese Zuversicht habe ich deshalb, weil Bruhn das letzte Mal so betreten zu mir gekommen war und mich
alleine sprechen wollte.
Nun Vater, wie haben die Pfannkuchen geschmeckt. Sowas gibt es ja hier nicht. Überhaupt ist das Essen hier garnicht so berühmt wie in Nagold. Z. B. gibt es hier morgens keine Milchsuppe, mittags keine Nachspeise und das ist sehr schade (in Nagold gab es jeden Tag Nachspeise). Auch die Zimmer sind längst nicht so schön wie in Nagold. Aber eines ist schöner: ich brauche weniger zu arbeiten, viel weniger, höchstens 2-3 Stunden am Nachmittag. So kann ziemlich für die Schule tun und habe noch Freizeit genug.
Gestern und heute waren zwei
Mütter hier, die ihre Kinder besuchten. Sie fanden alles herrlich und schön und lobten vor allem das Essen. Es gab Griessmehlbrei mit Erdbeeren! Etwas sehr leckeres für unser Leckermäulchen. So wurde ich nämlich in Nagold genannt.
19 Jungen von unserem Lager sind vor einigen Tagen nach Sachsen und Westerwald gefahren zur Führerausbildung und vormilitärischen Lehrgängen.
So nun muss ich Schluss machen. Es grüsst Euch drei herzlich das letzte Viertel.
Euer Horst.