Freunde aus Bocholt an Horst Schmitt und andere, 5. November 1942

Bocholt, den 5.XI.1942.

Liebe Wühlmause!

Die Heimat steht, und grüsst voll Vertrauen die Westwallarbeiter. Die Knechtschaft dauert nur noch kurze Zeit. Nun noch etwas Geschäftliches. Wir sitzen hier im Schweisse unseres Angesichtes von sämtlichen Lehrern gemieden. Unsere Köpfe rauchen von der ungewohnten Arbeit des Briefschreibens. Gerade fährt ein schönes Mädchen vorbei mit delikaten Beinen. – Der einzige Lichtblick in unserem freudenlosen Erdendasein. Wir bevölkern nutzlos das städtische Gymnasium mit unseren überflüssigen Kadavern. Manes Tangereling sitzt auf der Fensterbank und kritisiert die vorbeikommenden Mädchen. Martha, Martha du entschwandest wie eine Wurst im Sauerkraut. Die Kriegerwitwen werden von dem Rest der Klasse 7 b getröstet. Ihr könnt unbesorgt sein. Sie sind wie Ihr in guten Händen. Herrliches Wetter! Draussen plätschert das Wasser vom Himmel. Wie steht es mit Eurer Verpflegung. Bekommt Ihr zum Diner auch Schlabberkabbes, Negerplümmel, Drahtverhaue und Kottlets? Wieviel Pfund habt ihr schon zugenommen? Der Georgsturm steht noch!! Christliche Nächstenliebe und ein schlechtes Gewissen treibt uns zu ‚dieser Tat‘. Elfriede lebt noch!! Ebenso Martha die Kraftbrühe! Sind die Mädels dort auch so scheußlich wie hier? Was muß ich hören von Försterstochter und so? Was macht unser Veteran Juan? Wir erwarten mit Schmerzen und ungeduldig einer Niederkommen in Bocholt. – Dieser Gedankenstrick bedeutet ein mit Schinken zentimeterdick belegtes Butterbrot. Solltet Ihr mit Euren Fettkarten nicht auskommen, so schickt uns bitte welche herüber. Wie weit ist bei Euch der ‚locus communis‘ entfernt? Reicht Eure Beherrschung soweit? Ein Auge des Gesetzes hat uns belästigt, als wir gerade der Witwenbetreuung oblagen. Er meinte:

„Ein Rantetzewuk (Nachtschicht) ist wegen Jugendschutz nicht erwünscht.“ Neben der Energiebewirtschaftung zeit die neue Tageseinteilung besondere bevölkerungspolitische Vorteile. Habt Ihr Eure praktische Erdkundekenntnisse erweitert? Welchen Walzer bringt Euch Euer „Dompteur“ bei? Wie bewährt sich die „Bocholter Sturheit“? Wer lernt am meisten in seinen mitgebrachten Schulbüchern Neckel oder Otto. Hurra, wir verblöden! Tut nicht zu viel, sonst könnte es passieren, daß Ihr nachher noch mehr könnt als wir! Seid Ihr schon ordentlich „geleert“? Habt Ihr schon schießen u. scheißen gelernt. Wie hat sich Onkel Josef als Hilfsausbilder bewährt? Wenzel studiert gerade die 35 ch-Minna. Habt Ihr für später schon Ehestandsübungen gehabt? Linde läßt fragen, ob dort noch Spielzeug für Weihnachten zu bekommen ist. Hier ist augenblicklich Knickerzeit. Bernhard bekommst Du noch Scharps? Wir bekommen jeder ¾ Liter. (Treibstoff des Lebens!) Was tun sprach Zeus, die Götter sind besoffen. Hat Jupp für Jans noch Äpfel? Reicht Mussum’s Speck und Schinken noch? Sind die Eier schon angekommen? Wie steht das Stimmungsbarometer, um 6.45 Uhr? Die Trillerpfeife ist doch ein ausserordentlich dämliches Möbel. Wie steht’s mit eurem Tanzorchester? Damit wir unseren Altmaterialrekord halten können, bitten wir noch um Zusendung eurer morschen Knochen falls sie nicht schon vermodert sind. „Wenn ich an euch denke, wird mirs Herz zu schwer“! Dieser unter Schmerzen geborene Brief darf auch bei höchstem Atmosphärendruck nicht benutzt werden.

Ik bün derteggen, sik up de Buk tu leggen!

Vorher

Während

Nachher!

Es grüssen die trauernden Hinterbliebenen:

Werner Albers. – Teddy! H. Wessels. H. Wilk. Manes

Karl Pasedag. Braeck F. Kötters Wißmann

Ich wünsche Euch gute Erholung in der Herbstfrische!

Die oben genannten [?] haben Sehnsucht nach Euch, hier verkommen sie vor Stumpfsinn!

Beste Grüße u. Wünsche

Euer Klassenlehrer

[?]