Freund Bertl an Horst Schmitt, 14. Februar 1943
Wien 14.II.43
Lieber Horst!
Grün ist die Hoffnung! So hoffe ich also, trotz des so langen Schweigens von Dir Antwort zu bekommen. Nach dem sich bei uns [?] vermute ich Dich bei einer Abteilung der Heimatflak. Das WE-Lager wird Dich ja hervorragend dafür vorgebildet haben: Hm! Hm! Du schriebst mir ja in Deinem letzten Brief – ich danke Dir herzlichst dafür – von Deiner „Einschleifung“.
Ich habe hier wahnsinnig zu tun! Vor Weihnachten lief bei uns eine Spielzeugaktion. Ich mußte natürlich als alter Bastelonkel [?] herhalten. Einige Tage vor dem Feste war das vorbei. Dann gabs natürlich die diversen häuslichen Vorbereitungen. Nachher bis bis 30.XII. die Auslastung der Weihnachtsfreuden. Dann – nun herzlichsten, persönlichen Glückwunsch zum Jahreswechsel – machte ich mit einem Kameraden einen Schiausflug bei dem wir fast unsere sterbliche Hülle im Schneesturm eingebüßt hätten. Und dann ging das „letzte Rennen“ zur Matura
(Abitur) los. Die schriftlichen Arbeiten habe ich bereits überstanden und nehme nun die Pause wahr um Dir zu schreiben. Am 23/24.II. steigt dann des Dramas letzter Teil. Ich habe mir Physik als Wahlfach genommen. Na auch dieser, 8 Jahre herbeigesehnte Augenblick wird vorbeigehen, und ich rechne daß ich mich ab 1.III. intensiv mit Be- und Entwässerung beziehungsweise Durchpflügung mit Kabelgräben der lieben Mutter Erde befassen werde. Ich lerne zwar verzweifelt Autofahren um einen Führerschein zu erringen – er erlöst einem doch von allerlei – aber ich bin wirklich verzweifelt. Zuerst hatte der Herr Fahrlehrer kein Benzin. Dann endlich bekommt er welches. Nach 1 h Fahrt legt er sich mit Rippenfell- und Lungenentzündung ins Spital. Mir wurde besser! Plötzlich tritt sein Bruder auf, dieser ebenfalls Fahrlehrer ist so wie obiger auch krank, nicht so[?] und wenn er halbwegs gesund ist, dann fährt er (fahre ich) mit mir (mit ihm) ins Spital zum 1. Lehrer auf Besuch. Also ein recht sicheres Unterrichtsverhältnis. Nun, ich hoffe bis Ende des Monats fertig zu werden.
Wie bereits eingangs erwähnt hat man bei uns anscheinend die Absicht die Schulen zu sperren. Jahrg. 26 und 27 wird zur Heimatflak eingezogen und ihre Schulzeit auf 18 Wochenstunden herabgesetzt. Außerdem muß ein Lehrer mit einrücken. Also sind das ziemlich umwälzende Ereignisse in der Paukerzentrale.
In Wien ist die Stimmung natürlich nicht besonders, da viele von uns in Stalingrad waren und die Leute in voller Ungewißheit sind.
Fortsetzung: 26.II.43.
Irgend welche Umstände rissen mich am 14.II. vom Briefe weg. Mittlerweile hat sich des Dramas letzter Teil bereits abgewickelt. Kindisch einfach war die Sache! Leider bekam ich keine Auszeichnung da ich um 1 „Befriedigend“ zu viel hatte. Im großen ganzen bin ich zufrieden: 7 sehr gut 5 gut und 2 Befriedigend. Bei der Matura war sogar der Herr Kreisleiter anwesend. Er mußte sich natürlich wichtig machen, und machte sich dabei nicht minder unmöglich, so daß er es vorzog nach dem 1. Vormittag nicht mehr zu erscheinen.
- Trotz des unsicheren Verhältnisses mit der Fahrschule gelang es mir gestern doch die Führerscheine 3. und 4. Klasse zu erreichen. Auch hier waren sowohl die theoretische, als auch die Fahrprüfung kindisch einfach. Bei der Prüfungsfahrt hatte ich ein recht nettes Erlebnis, das mir gleich die zum Fahren nötige Vorsicht einhämmerte. Auf einer Straßenkreuzung war ein riesiger Auflauf, mit Gehupe kämpfte ich mich durch und da sahen wir auch schon die Bescherung. Ein Wagen vom Überfallskommando, eine Person schräg vom Randstein herunterliegend mit Packpapier zugedeckt u.s.w. Anscheinend von der Straßenbahn abgesprungen und von hinten niedergestoßen. Sah jedenfalls greulich aus der helle Blutstrom der unter dem Papier hervorfloß. Wie man daran sein Ergötzen finden kann ist mir unerklärlich.
Nun will ich zu Ende kommen. Entschuldige bitte nochmals, daß ich so lange nicht schrieb, aber ich hatte wirklich so viel zu tun, daß es mir früher unmöglich war. Ich hoffe auf baldige Antwort und grüße Dich herzlichst!
Dein Bertl