Freunde Jochen und Rudolf an Horst Schmitt, 9. Mai 1943

O. N. d. 9.V.43

Mein lieber Dicker

Etwas Zeit habe ich endlich zu dem, schon so lange geplanten Brief an Dich. Vor einiger Zeit brachte mir Rudolf eine „WTZ“, Dein jetziges neues Betätigungsfeld. Sie stammte vom 8. April u. enthielt im Bocholter lokalen Teil die Ankündigung der diesjährigen Kunstausstellung. Du hattest für die recht kurz bemessene Zeit da allerhand vor. Hoffentlich hat die Begeisterung, mit der Du meinen alten Platz eingenommen hast, vorgehalten u. hat einige [?] „Früchte“ gezeitigt. Den Grundsatz „Wir machen Wind, daß die Zeitungsblätter rauschen“ kennst Du ja u. Vater Schmitt wird ja mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung als „rasender Reporter“ auf allen möglichen u. unmöglichen Gebieten des menschlichen Lebens Dir helfend zur Seite stehen. Ich habe doch recht, nicht wahr? Einen guten

Rat gebe ich Dir allerdings: Halte Dich nur nicht an die Presseunterlagen vom Gebiet. Hefte sie schnell ab, damit Du sie nur nicht zu oft siehst, es könnte Dir die Lust verderben. Was Phrasen sind, ist Dir ja bekannt. Wenn Du unbedingt einmal eine gebrauchen mußt, so tue den Schwur, das nächste Mal drei Wahrheiten dafür zu schreiben. Man kann das auch ohne grob zu werden! Auch hier wird Vater Schmitt über das nötige Vocabularium verfügen. Die Leute von der Partei sind undiskutabel u. sind der Nervenkraft nicht wert. Wenn Gocht noch da ist, halte Dich an ihn, nimm ihm auch einmal Arbeit ab, desto mehr Platz läßt er Dir dann das nächste Mal. Vor allen Dingen lasse Dir alles gut bezahlen. Meine „gesammelten Lügen“ halte in „Ehren“, da ich sie in einem eventuellen Urlaub noch einmal gerne zu sehen gedenke. Sonst wünsche ich Dir in Deiner neuen Tätigkeit alles Gute, vielleicht wäre der Beruf eines Schriftleiters doch nicht das falsche. Die

Schönheiten dieser Tätigkeit hast Du ja wohl kennen gelernt in der Person Deines werten Herrn Vaters (!?) Anderseits aber siehst Du auch die Macht eines umfassenden Wissens, das allerdings notwendig ist. –

Innerhalb einer 2 ½ tägigen Übung im Gelände bekam ich vor einiger Zeit einen Brief von Dir. Es war da das mysteriöse Gerede von einem Kulturpreis, der ausgerechnet mir zufallen soll. Etwas Weiteres in dieser Richtung ist mir weder vorher noch nachher bekannt geworden. Es liegt also über dieser Sache ein interessanter Schein des Erwartungsvollen. Ein frommer Wunsch ist allerdings der Gedanke, mich für diese Ehre, oder wie ich es nennen soll, nach Bocholt zu holen. Aus Frankreich ist das fast unmöglich. Wer weiß aber ob die nächste Zeit mich nicht irgendwo anders sieht. Neben all den skeptischen Gedanken, die den Enttäuschungen entspringen, die Du ja auch kennst u. die Du mir nicht allzu übel nehmen darfst, habe ich mich über

den Beweis gefreut, daß meine Person nicht ganz auf dem Bann vergessen worden ist, obgleich ich herzlich wenig habe hören lassen. Wenn Du mir allerdings Näheres über Charakter, Form u.s.w. dieser zweifellos erfreulichen Anerkennung berichten könntest, dann wäre ich Dir sehr zum Dank verknüpft. –

Ich sitze augenblicklich in „meiner“ Kanine. An den Wänden sind 5 Bilder, meine Kinder, die ich leider schon bald im Stich lassen muß. Es war eine neuartige Aufgabe, die mir da gestellt worden ist. Der Kp.-Chef hatte mir die Gesamtausgestaltung aufgetragen. Meinen Willen gegen Spieß u. sonstigen [?] Größen durchzusetzen, hat einige Nervenkraft gekostet. Farbe u. Aufteilung des Raumes u. die Bilder sind mein „Werk“ u. der Erfolg, daß sich nämlich das gesamte Batl. bald hier einfindet, beweist die Richtigkeit der Angaben. Die Bilder sind in einer Leimfarbe gleich auf die Wände gemalt u. haben mir viel Freude gemacht. Die Fotos kannst Du hoffentlich bald in Friedenstraße 14 sehen.

Daß sich zwischen meinen Eltern und Dir ein reger Verkehr entwickelt hat, hat mich herzlich gefreut. Ebenfalls scheinen beide Elternpaare sich des öfteren zum gemeinsamen gemütlichen Zusammensein zu treffen. Das hatten wir uns damals schon immer gewünscht u. daß es nun endlich dazu gekommen ist, freut mich ebenfalls ungemein! Meine Eltern haben schon begeistert von einigen Abenden geschrieben. Ich bedauere nur, daß ich nicht dabei sein kann. – Was macht die Schule? Bist Du schon gemustert? Hoffentlich nicht. Ich wünsche nämlich Dir noch eine recht lange Schulzeit. Euch allen 26 von der Klasse, den beiden Heinzen u. dem anderen Gemüse! Die sollen noch oft die Tonwerke genießen. Im Geiste bin ich dabei u. sehe die faulen Säcke auf der Wiese liegen, neben sich der zertrümmerte gute Vorsatz in form eines vereinsamten Chemiebuches, denn vorläufig interessiert nur H²O u. die darin herumschwimmenden „Hühnchen“ sprich „Gummitiere“. Gestern abend haben wir noch sie Schulerinnerungen wieder aufgewärmt an Hand

der letzten Gesamtansichten unserer Klasse. Wir kamen zu der Ansicht, daß nach militärischem Maß doch viele „Schote“ dabei sind, denen noch gehörig der „A.... hochgebunden“ werden muß. Insofern ist das Militär eine ausgezeichnete Schule. Sonst aber gibt es doch einige liebe saudumme Gesichter, die man recht bald wieder in Natura sehen möchte. Den Betreffenden, d. h. die ich leiden u. die mich einigermaßen riechen konnten, kannst Du besondere Grüße von mir ausrichten. Die Auswahl bleibt Deinem Scharfsinn überlassen. Dir aber wünsche ich weiterhin alles Gute. Grüße bitte Deine Eltern recht herzlich von mir.

Es grüßt Dich Dein alter

Liebes Horst’l!

Auch ich grüße Dich von Herzen und werde Dir in Kürze ausführlich schreiben. Ich hoffe jedoch, daß auch Du Deiner Schreibfaulheit ein Ende setzt und einmal von Dir hören läßt. Ich würde mich sehr freuen! Nochmals die besten Wünsche von Deinem treuen