Vater Schmitt an Sohn Horst, 21. Juni 1943
Bocholt, den 21. Juni 1943.
Lieber Horst!
Heute, Montag, genau 14 Tage nach Deiner Abreise, traf Dein Brief vom 15. ds. Mts., abgestempelt am 18.6.43, hier ein. Wir hatten lange darauf gewartet; denn Du wolltest und musstest doch endlich Deine Abmeldebescheinigung haben, und darum konnten wir es gar nicht verstehen, dass Du so lange mit der Bekanntgabe Deiner neuen Adresse wartetest. Nun, jetzt ist wieder alles im Lot, und, wie wir aus Deinem Brief ersehen, gefällt es Dir in Deinem neuen Wirkungskreis ganz gut. Das ist ja schliesslich die Hauptsache.
Hier ist noch alles beim Alten, d. h. wir fühlen uns sauwohl, und der Tommy kann uns den Buckel heraufrutschen, abgesehen davon, dass er uns mehr als eine ganze Woche lang vollständig in Ruhe gelassen hat. Jetzt haben wir hin und wieder mal Alarm, aber wir gehen nur selten in den Keller.
Im übrigen habe ich, der Vater, wieder einmal Recht behalten. Nämlich am Tage nach Deiner Abreise traf Rudolf Looks auf Urlaub ein. 16 Tage hatte er, genau so viel wie Jochem. Am Samstag vor acht Tagen war er mit seinen Eltern bei uns zu Gast, es hat ihm natürlich leid getan, dass er Dich nicht mehr antraf. Aber dafür hat sich Helmut gelegentlich seiner angenommen. Am vergangenen Samstag waren wir Drei bei Looks auf Besuch – bis nach Mitternacht. Rudolf hat uns da einen ausführlichen Bericht mit den nötigen Gesten und Gesichtsverrenkungen über die Einweihung der Kantine in St. Etienne gegeben, wir haben uns bald tot gelacht. Da hast Du gefehlt! Es ist schade, dass wir Deine Adresse so spät erfahren haben. Familie Looks wäre sonst einige Tage nach dort gekommen, um Dich mal in Deinem Element aufzusuchen. Na, vielleicht kann das später noch mal nachgeholt werden.
Frau Kraatz ist am Sonntag vor acht Tagen nach Hanau gefahren zu Jochem, der nämlich geschrieben hatte, dass sie ausrücken sollten. Aber es war auch diesmal wieder eine Latrinenparole; denn bis zum letzten Sonntag ist er noch nicht ausgerückt. Frau Kraatz ist bis heute noch nicht wieder hier eingetroffen; sie wollte vermutlich noch so lange bei Jochem bleiben, wie es eben ging.
Ich werde übrigens Ende Juli meine Kur antreten, sodass ich wieder nach Hause komme, wenn auch Du wieder heimkehrst. Vielleicht können wir es so einrichten, dass wir ein Stück des Weges zusammenfahren. Nun, bis dahin fliesst noch viel Wasser den Rhein herunter. Für heute aber sei herzlich gegrüsst von uns allen, Mutter, Helmut und vor allem von
Deinem Vater.