Freund Hans an Horst Schmitt, 7. Juli 1943
Hans Seggewiss
Bocholt, den 7. Juli 1943
Gertrudenstr. 14
Lieber Horst!
Die herzlichsten Grüsse aus Bocholt sendet Dir Hans Seggewiss. Mir geht es gut. Dasselbe hoffe ich auch von Dir. In Bocholt ist noch alles in Ordnung, mit einigen Ausnahmen natürlich. Nur ich habe mal wieder schwere Sorgen. Das kann ich Dir aber im Brief nicht alles so mitteilen. Wenn wir mal wieder zusammentreffen, will ich Dir wohl alles erzählen. Du weisst aber sicher schon wo der Schuh drückt.
Lieber Horst. Ich war dieser Tage bei Dir zuhause und hab geholfen die Bücher von Deinem Vater nach unten zu transportieren. Es war eine angenehme Beschäftigung. Ich konnte hier mein Geschichtsgedächtnis wieder auffrischen. Augenblicklich habe ich das Buch: „Das Römische Weltreich“ und studiere. Man kann doch sonst nichts anfangen. Mit den „Weibern“ will ich nichts mehr zu tun haben. Ich weiss, Du lachst darüber, weil ich das schon des Öfteren gesagt habe. Jetzt ist es aber ernst.
Jetzt will ich auch zum eigentlichen Zweck meines Schreibens kommen. Besteht die Möglichkeit, dass ich meinen Urlaub (14 Tage) bei Dir im Lager verbringe oder dass ich Dir evtl. 4 Wochen helfen kann. Erkundige Dich doch einmal. Ich muss unbedingt bei uns aus dem Kotten raus. Es ist ein ganz besonderer Grund. Du wirdst ihn ja doch nicht erraten. Gib Dir also keine Mühe, sondern erkundige Dich bitte. Ich brauche nur die Fahrt bezahlt zu haben. Die HJ kann das wohl bezahlen. Du wirdst doch hoffentlich wissen, wie Du das anfangen musst. Wenn nicht, dann will ich Dir mal einen Weg sagen: Du gehst zum Lagerleiter und besprichst mit ihm die Sache und sagst ihm, Du hättest in Bocholt einen HJ-Führer, der möchte gern das Leben in einem KLV-Lager kennenlernen und fragst, ob die Möglichkeit bestände, dass der betrf. evtl. für 14 Tage oder 4 Wochen nach dort käme. Wenn ja, schreibst Du mir und forderst mich dann gleichzeitig am Bann oder wo weiss ich an. Mit dem Urlaub, das werde ich schon in Ordnung machen. Nur die Hin- und Rückfahrt muss die HJ bezahlen, da bei mir Moses und die Moneten fehlen. Also, Horst, sieh mal zu, was sich machen lässt. Den wahren Grund werde ich Dir dann sagen. Du wirdst dann auch verstehen, dass ich wirklich fortmusste. Ich wäre Dir sehr dankbar und hoffe, dass alles klappen wird.
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dass alles klappen wird.
Ich bin jetzt zur Feuerwehr-HJ umgeschrieben worden und mache dort jetzt meinen Dienst. Der Dienst ist zackig. Besser wie beim DJ. Meinen Aufsatz habe ich immer noch nicht fertig. Die Schaffenskraft ist verschwunden. Es hängt aber alles mit der einen Sache zusammen. Ich war schon soweit, dass ich die Formulare für die Freiwilligenmeldung zur Fallschirmjägertruppe fertig ausgefüllt und unterschrieben hatte. Es fehlte nur noch die Unterschrift von meinem Vater. Durch einen unglücklichen Umstand sind die Formulare jedoch vernichtet worden. Ich fand sie nachher im Papierkorb wieder. Ich habe jedoch herausbekommen, wer die Freiwilligenmeldung vernichtet hat. Auch kann ich mir erklären, wie es gekommen ist, dass die Papiere in Händen der betrf. Person gekommen sind. Ich hatte dieselben in meinem Schreibtisch unverschlossen aufbewahrt. An dem betrf. Morgen musste ich für einen kurzen Moment das Zimmer verlassen und vergass die Schreibtischlade abzuschliessen. Als ich nach meiner Rückkehr nachsah, war meine Meldung verschwunden. Mein Verdacht hat sich bestätigt. Es war eine Arbeitskameradin von mir.
Mit der betrf. Arbeitskameradin, ein Mädel von 20 Jahre hatte ich vor einigen Tagen einen Streit gehabt. Es war ein Streit, wie er zwischen zwei Menschen, die sich lieben, schon mal vorkommt. Das Mädel hat bereits einige Zeit vorher einen anderen Jungen kennengelernt. Da sie sich jedoch nicht entschliessen konnte, wem sie nun gehören wollte, sie hat sich jedoch inzwischen für den anderen entschlossen, erklärte ich ihr, dass ich mich freiwillig melden würde und ich nicht die Absicht hätte, dann wiederzukehren. Sie erklärte mir daraufhin, dass das garnicht infrage käme. Ich liess mir dann vom Wehrbezirkskommando Recklinghausen die Freiwilligenmeldung für die Fallschirmjägertruppe schicken. Durch einen unglücklichen Zufall erfuhr sie davon und sie vernichtete dieselben dann. Ich stellte sie daraufhin zur Rede und sie erklärte mir dann, sie wolle nicht schuld sein, wenn mir etwas passieren würde. Ich sagte zu ihr, das müsste ihr doch gleich sein.
Einige Tage später erhielt sie von ihrem anderen Freund Post und sie erklärte mir, dass sie zu ihm hinfahren würde. Sie erhielt auch Urlaub und schrieb mir von dort eine Karte. Als sie zurückkam unterhielten wir uns über ihre Fahrt und u. a. erklärte sie mir, dass sie ihren Freund das Versprechen gegeben habe, sich im
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Privaten nicht mehr mit mir zu beschäftigen. Ich war natürlich sehr erbost. Auf meine Frage, warum sie das gemacht hätte, da sie mir doch etwas versprochen hätte, erklärte sie nur, dass sie gezwungen worden wäre. Du kannst Dir denken, dass das für mich eine unangenehme Überraschung war. Da glaubt man, jetzt hätte man einen Menschen gefunden, dem man vertrauen könne, so wird man doch schnell eines anderen belehrt. Ich erklärte ihr dann, dass damit unsere privaten Verbindungen zu Ende wären. Du kannst Dir jetzt sicher vorstellen, in welcher Gemütsverfassung ich mich befinde. Um meine alte Sicherheit wieder zu erlangen, brauche ich unbedingt Ruhe. Das wirst Du auch wohl verstehen können. Die Arbeit ist mir jetzt gleich. Lust habe ich überhaupt keine mehr. Es nützt doch alles nichts. Was man in mühevoller Arbeit sich zurecht gebaut hat, wird mit einem Schlag zerstört.
Lieber Horst. Du weisst jetzt was in der Zwischenzeit mit mir passiert ist. Ich will hoffen, dass es Dir besser ergangen ist. Also, sieh jetzt einmal zu, dass alles klappt. Ich wäre Dir sehr dankbar.
Zum Schluss wünsche ich Dir alles Gute und verbleibe mit kameradschaftlichen Grüssen
Dein Hans Seggewiss