Freund Rudolf an Horst Schmitt, 29. August 1943
Hanau, am Sonntagmittag, den 29.8.43
Mein lieber Horst!
Heute endlich ist Dein lieber Brief hier eingegangen, den Du am Tage meiner Ankunft in Bocholt, um meinen Urlaub nicht wissend, an mich abgeschickt hast. Ich habe mich über den Inhalt Deines Schreibens, obwohl er durch unser Zusammensein längst überholt war, sehr gefreut und möchte nicht verfehlen, Dir meinen Dank dafür auszusprechen.
Nun bin ich schon fünf Jahre wieder im Dienst, befinde mich in jener Atmosphäre des rauhen aber „herzlichen“ Tones. Wie unsagbar schnell eilt doch die Zeit dahin, als ob sie von Hermesflügeln getragen würde. Eine einerseits untröstliche und schmerzliche, andererseits aber durchaus tröstliche und ermutigende Feststellung, nichtwahr? So ein Urlaub ist doch eigentlich viel zu kurz. Ach! Gäbe es doch schon bald Urlaub für immer! Ging das Leben doch bald wieder seinen gewohnten und normalen Gang. Wie schön könnte es dann sein! Wie gerne wäre ich noch mit Dir zusammengewesen!
Lieber Freund! Mittlerweile wirst auch Du wohl den Einberufungsbefehl für die Heimatflak erhalten haben! Wenn nicht, dann wohl Dir. Hoffentlich Läßt man Die Deines Beines wegen noch in Bocholt. Auch unserem Heinz möchte ich das gönnen! Ihr werdet sicherlich tüchtig Kommerz gefeiert haben, schade, daß ich nicht habe dabei sein können.
Hat Jochen Dir übrigends schon einmal wieder geschrieben? Es scheint ihm ja unter südlichem Himmel noch recht gut zu fehen!
In Bocholt hat sich sicherlich nicht viel ereignet? Was meine Arbeit anbetrifft, so kann ich feststellen, daß ich als Kompaniemaler ein recht angenehmes Leben habe! Augenblicklich male ich wieder „Firmenschilder“.
Übrigends hat mir der General anläßlich des Empfangs meiner zeichnerischen Vorschläge ein Buch mit Widmungsurkunde geschickt, das mir mein Chef am Freitag der nun verflossenen Woche überreichte und zwar feierlichst! Es sei noch bemerkt, daß mein Name mit meinem „Verbrechen“ im Rgt.’s- Btl.‘s- und Kompaniebefehl genannt worden ist. Das alles aber berührt mich wenig. Einige Tage Urlaub wären mir lieber gewesen! Was jedoch nicht ist, kann aber immer noch kommen. Ich hoffe noch darauf.
Heutemorgen bin ich wieder in Hanau zur Kirche gegangen. Die Teilnahme am hl. Meßopfer war ein grosses Erlebnis für mich. Man muß doch erst Soldat werden um richtig empfinden zu können, was einem die Religion und Gott, was einem die Kirche bedeutet. Ich bin wirklich glücklich, römischer Christ zu sein.
Gott sei Dank habe ich heute keinen Luftschutz. Ich kann jetzt wenigstens ausgehen. Heutenachmittag werde ich, da das Wetter nicht allzugut ist ins Kino gehen, zwei Briefe schreiben und noch etwas malen. Ich schließe daher meinen Brief an Dich ab und mache mich „startbereit“.
Sei also mein teuerster Freund recht herzlich gegrüßt. Du hörst bald mehr von mir! Verzeih bitte Fehler und Schrift und vergiß vor allem das Antworten nicht. Ich hoffe, daß es Dir augenblicklich recht gut geht und wünsche Dir und den Deinen alles Schöne und Gute.
In Treue
Dein Rudolf.