Horst Schmitt an seine Eltern, 21. Juli 1944

O. U., 21.7.44.

Liebe Eltern!

Heute am Tage, wo ich die 3. Woche meines Soldatenlebens beende, sende ich Euch viele Grüße. Drei Wochen sind herum, in denen ich viel erlebt habe. Gut ist es, daß sie uns nicht gleich in Himmelbetten gelegt haben, sondern, daß man von Anfang an die bescheidenen Verhältnisse gewöhnt wird, in die man nun mal hineingeraten kann. In der ersten Woche war das, wie man sich denken kann, ziemlich unangenehm. Aber jetzt fühlt man sich fast (?) ganz wie zu Hause. Das ist gut so; denn wenn man sich die ganze Zeit, wo man Soldat, besonders in der man Rekrut ist, unwohl fühlen wollte, so würde man zu viel Nerven einbüßen. Also wie gesagt, man hat sich gut eingelebt. Unser Tageslauf ist seit 1 Woche endlich regelmäßig. Morgens 6 h ist erst Wecken, eine seltene Vergünstigung, da gewöhnlich um 5 h oder 5,30 h geweckt wird. Bis 6,45 h haben wir Zeit zum Waschen, Anziehen, Bettenbauen, Frühstücken und .....

Waffenreinigen. Ja, jeden Morgen wird unsere Braut und noch einige andere „Spielzeuge“ gereinigt, um auf den Marsch zum Übungsplatz wieder voll zu verstauben.

Komiß kommt eben von komisch. Dies stellt sich jeden Tag von Neuem wieder heraus. Dann ist Parole und anschließend Dienstbeginn. Hier geht nun alles vor sich was ein Kanonier können muß. Dazu gehört zu unserem größten Leidwesen auch die Infanterieausbildung. „Es ist so schön, Soldat zu sein“ ist unser Hauptschlager. Es wird nur gesungen, wenn wir auf der Nase gelegen haben. So hört man den ganzen Tag hindurch den Rekrutenzug dieses Lied singen! Der Rekrutenzug besteht aus 20 Soldaten, diese teilen sich auf in 15 R.O.B.s, alles Abiturienten und 5 älteren Herren von 27-38 Jahren. Diese werden genau so behandelt, wie wir. Ein Gerichtsrat ist darunter! Der muß sich auch von einem Gefreiten, der im Zivil Hilfsarbeiter war, sagen lassen: „Was können sie schon?“ Wat et nit alle jibt! Mit den Kameraden kann man also zufrieden sein. Leider ist dies nicht der Fall bei den unteren Ausbildern, besonders den Hilfsausbildern. Ich glaube, man hat bestimmt die dümmsten ausgesucht. Ich ärgere mich ja nicht mehr über schlechtes Deutsch. Aber das soviel

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Dummheit in einem Kopfe vereint sein kann, und daß sowas sogar noch Ausbilder ist, ging bisher über mein Vorstellungsvermögen. Gottseidank sind die höheren Vorgesetzten in Ordnung, haben vor allem Verständnis für uns. Wenn ich das hier nun so schreibe, so müßt Ihr nicht denken, daß ich mich dauernd über die kleinen Ausbilder ärgere. Diese Tatsache fällt uns garnicht mehr auf. Ich muß mich erst hinsetzen, und mir über diese Tatsachen klarwerden.

Ich hoffe, daß ich bald Post von Euch erhalte. Ich möchte doch gern etwas hören. Über das Geschehen in Bocholt sind wir übrigens ziemlich genau orientiert. In unserer Batterie ist nämlich der Sattler Feldhaar, der Dieter auch kennt. Heinz und ich haben uns eine ganze Zeitlang mit Ihm unterhalten.

Ich will den Tageslauf weiter verfolgen. Um 11,45 h beginnt die Mittagsruhe. In der Zeit von 12-13 h wird das Essen vorgefahren. Um 14,15 h beginnt wieder der Dienst und geht bis 18 h. Dann ist Feierabend. Der besteht darin, daß Waffen und Aus-

rüstung. Des „öfteren“ geht bei den Rekruten natürlich der Dienst weiter. Um 22 h ist Zapfen.

Das Land ist hier ganz anders als bei uns. Hier im Norden ist nur Viehwirtschaft. So weit wir sehen können, kein Baum, kein Strauch. Nur hin und wieder ein Bauernhaus, alles große Vierkanthöfe, beleben das Landschaftsbild. Ringsum ist Meer in halbstündiger Entfernung. Wir sehen aber nichts davon. Kleine Hügel verdecken die Aussicht. Interessant sind die kleinen Kirchen, die überall dort stehen, wo 2-3 Häuser zusammenstehen. Sie sind alle ganz genau nach dem selben Schema gebaut, im Norden wie im Süden, und alle sind weiß gestrichen. Wie kleine Festungen stehen sie in der Gegend, weithin sichtbar. Kleine Miniatureisenbahnen, auf Deutsch „Dän. Staatsbahnen“ ziehen sich durch die Gegend. Also hat das Land schon seine Eigenarten.

So, daß wäre mal wieder das Produkt eines Abends. Geistig bin ich also noch nicht ganz versumpft! Übermittelt Fam. Kraatz und Looks meine besten Grüße. Ich werde Ihnen bald schreiben. Mit vielen Grüßen verbleibe ich als

Euer Ältester.

Andere F.P.Nr. 19757 B

Auch ich schließe mich an und grüße Sie in „alter Frische“ Ihr Heinz.