Vater und Mutter Schmitt an Sohn Horst, 22. Juli 1944
Nr. 2.
Bocholt, den 22. Juli 1944.
Lieber Horst!
Zunächst einmal herzlichen Dank für Deine drei Briefe, und zwar den vom 9.7., den Du auf der Fahrt zum „gelobten Land“ im Viehwagen geschrieben hast, und die Briefe vom 13. bzw. 16.7., die Du aus Deinem neuen Standort geschrieben hast. Wir ersehen aus den beiden letzten Briefen, daß Du Dich so langsam an das neue Klima gewöhnt hast. Es bleibt ja schließlich nichts anderes übrig, als sich in neuen Verhältnissen zu schicken, so gut es eben geht. Und da ja Heinz bei Dir ist und Ihr Euch gelegentlich Euer „Leid“ gegenseitig anvertrauen könnt, wird es schon gehen.
Wie wir aus Deinem letzten Brief ersehen, habt Ihr ja „Heinrich“ gebührend gefeiert. Ein Liter Sahne ist ja schließlich keine Kleinigkeit. Und was es da sonst noch bei Euch gibt, ist auch nicht zu verachten. Heute habe ich die ersten 14 M. abgeschickt, und Ende des Monats werden wir das Rezept noch mal wiederholen. Wir sind gespannt, ob und was aus Dänemark hier landen wird.
Daß wir am Samstag nach Deiner Einziehung einige Tage an den Rhein gefahren sind, weißt Du ja. Wir haben in Bonn, Godesberg, Hersel und Üdorf noch alles im grossen und ganzen in Ordnung befunden. Allerdings haben die Godesberger seit 4. März keine Nachricht mehr von ihrem Heinz, sie nehmen an, daß er in russischer Gefangenschaft ist. Heribert ist ja auch in Dänemark. Es wäre nett, wenn er Dir mal gelegentlich so zufällig dort begegnen würde. Heinz Decker aus Hersel war bei Witebsk, und sein Bruder Toni ist in der Normandie. Matthias Decker aus Üdorf ist von Rußland nach Italien gekommen, wo sie in Küstenschutz machen. Seine Adresse lautet: Gefr. M. D. 09020 B. Sein Bruder Christian liegt an der französischen Küste. Seine Adresse lautet L 41579 j Lg. Pa. Paris. Wenn Du gelegentlich mal Zeit hast, schreibe ihnen mal.
Von Helmut haben wir am 15. und 18.7. Briefe erhalten, aus denen wir ersehen, daß es ihm nach wie vor verhältnismäßig gut geht. Seine Adresse lautet immer noch: 59 914 B (und nicht 59941, wie Du in Deinem Brief an ihn vom 22.5. geschrieben hast und der gestern als unbestellbar zurückkam). Wir legen Dir ein Briefchen von ihm bei, das er noch an Dich nach Tegernsee geschickt hat. Ferner verschiedene andere Post, die nach Tegernsee gegangen ist bzw. von dort nach hier gekommen ist. Auch sind die Photos aus Tegernsee hier angekommen. Teile uns bitte mit, an welche Adresse wir die Bildchen schicken sollen. Ferner teile uns die Adresse von Schwester Thilde mit, damit wir ihr die 15.45 Mk. schicken können. Die Abzüge, die aus Tegernsee gekommen sind und die hier gemacht wurden, sind sämtlich tadellos geworden. Auch Deine Turnschuhe sind hier gelandet. Schließlich fügen wir Dir noch einen Brief von Werner Drees bei, der nur einige Tage bei der Panzer-Nachrichten-Ersatz-Abteilung 26 in Köln-Lindenthal war, dann aber nach Bielefeld, der Stadt seiner Sehnsucht, verpflanzt wurde. Seine Adresse lautet: Fu. W. Dr. Nachrichten-Abteilung 6, Funkausbildungskomp., Bielefeld, Bülow-Kaserne, Block 5.
Übrigens interessiert es Dich sicher, daß demnächst Hans Seggewiß auch Soldat werden wird. Er ist zwar bei der kürzlich stattgefundenen Musterung nur bedingt kv. geworden, aber das tut bekanntlich der Liebe keinen Abbruch.
So, das wären die Neuigkeiten, soweit sie die Verwandten und Bekannten betreffen. Uns beiden geht es gut, wir haben uns an das Alleinsein schnell gewöhnt, da wir ja schon so wie so allmählich daran gewöhnt waren, und es also für uns keiner großen Umstellung bedurfte. Und Ihr werdet allmählich aus dem ersten Dreck, den die Ausbildung mit sich bringt, heraus sein. Wenn Du diesen Brief erhälst, ist Helmut schon acht Monate Soldat, also ein steinalter Landser, den man schon bald nach Hause schicken könnte.
Für heute sei herzlich gegrüßt von Deinem Vater.
Auch herzl. Grüße an Heinz.
Lieber Horst!
Deine Bilder sind also, wie gesagt, ganz herrlich geworden. Die Bilder von Feldmann habe ich schon in drei Teile geteilt, und werde es mit dem Geld ebenso machen. Bezahlt habe ich 11.70 M. Sobald wir die Adressen haben, wird alles gleich geregelt. H. Seggewiß hat von Deinen beiden Aufnahmen bei Buttner je drei Abzüge machen lassen. Das netteste lege ich Dir bei, für Heinz. Vergiß nicht mitzuteilen, was mit den Negativen geschehen soll. Von Tegernsee sind keine Negative mitgekommen.
Du willst uns liebenswürdiger weiße etwas von den Herrlichkeiten dort schicken. Denke aber, daß jetzt warme Tage sind, und Fettigkeiten sich schnell bemerkbar machen. Es besteht dann die Möglichkeit, daß nichts hier ankommt. Eine kleine Kanne mit Öl wäre schon das richtige. Aber sorge erst einmal für Dich und schicke das Päckchen als Nachnahme oder als Einschreiben. Für heute Dir und Heinz recht herzliche Grüße Mutter.
Lieber Horst!
Wie Du aus beiliegendem Schreiben der Technischen Hochschule Hannover ersiehst, mußt Du mich – am besten auf einem besonderen Briefbogen – als Vertrauensperson benennen, damit ich die Fernimmatrikulation beantragen kann. Vielleicht macht Heinz das auch für seinen Vater, falls er die Immatrikulation noch nicht beantragt hat.
Nochmals herzlichen Gruß, Vater.