Vater und Mutter Schmitt an Sohn Horst, 18. September 1944
Nr. 15.
Bocholt, den 18. Sept. 1944.
Lieber Horst!
Herzlichen Dank für Deinen Brief Nr. 14 vom 8.9., der bereits am 15.9. hier eintraf, nachdem er erst am 11.9. dort abgestempelt war. Leider komme ich erst heute dazu, ihn zu beantworten, da hier natürlich allerlei los ist. Wenn auch die Nervosität der vergangenen Woche sich etwas gelegt hat, so merkt man doch mehr und mehr, dass Bocholt so etwas wie Etappe geworden ist. Wir rechnen nicht damit, dass das Kriegsgeschehen sich bis Bocholt ausdehnt, aber gleichwohl muss man gewisse Vorbereitungen treffen, um nicht urplötzlich überrascht zu werden. Wir haben einstweilen jedenfalls nicht vor, von hier zu verschwinden, wohl aber vorübergehend zu Bekannten in die Nachbarschaft zu pilgern, wenn es mal, was wir aber nicht annehmen, „brenzelig“ werden sollte.
Es kann natürlich möglich sein, dass die Bahn- und Postverbindungen mal vorübergehend unterbrochen werden. Und für diesen Fall habe ich an Onkel Heinrich in Erfurt geschrieben, er möge jetzt schon Dir und Helmut schreiben, damit Ihr auch Post an ihn schickt, die dann gelegentlich von Erfurt nach hier besorgt wird. Es kann ja die Möglichkeit bestehen, dass wohl Zivilpost aus dem Innern Deutschlands nach hier kommt, aber keine Post direkt von der Front. Das soll nun nicht heissen, dass Du etwa jetzt nicht mehr nach hier schreiben sollst. Das tue ruhig weiter, und wir hoffen, dass die Post auch gut hier ankommt. Die Adresse von Onkel Heinrich lautet: Dr. Heinrich Decker, Erfurt, Arnstädter Strasse 20.
Es wird Dich und auch Heinz gewiss interessieren, dass am vergangenen Samstag rund 1400 Männer aus Bocholt und dem Kreise Borken an die holländische Grenze hinter dem Reichswald zum Schippen abgefahren sind. Es befanden sich darunter zahlreiche auch Dir gut bekannte Herren, wie z. B. Looks, Hülsmann, Kockambrink, Dr. Schmidt, Dr. Bressert, Schichte, Harling, Dr. Herdemann, Härtl und Sohn usw. usw. Ein Teil von ihnen, so die beiden erstgenannten, sind bereits in der vergangenen Nacht wieder heimgekehrt, da ja in der Nähe die Fallschirmjäger abgesprungen sind, was das Verweilen der Zivilisten an der holländischen Grenze nicht länger zuliess.
Im übrigen waren ja die schönen Tage im Revier nur allzu kurz. Dass Du ausgerechnet einen Kölner dort vorgefunden hast, war ja nett. Da konntet Ihr Euch ja so richtig auf Kölsch unterhalten. Und dass der Betrieb auch sonst etwas gemütlicher geworden ist, ist einem „alten Landser“, der Du ja mittlerweile geworden bist, wohl zu gönnen. Übrigens sind H. Reckers, Clemens Drees, Klinke usw. auch bereits ausgerückt. Wohin ist unbekannt, vermutlich nach dem Westen.
Von Helmut erhielten wir gestern nachmittag einen Brief vom 3.9., in dem er uns mitteilt, dass er sich in einem Lazarett befindet. Was ihm eigentlich fehlt, schreibt er nicht. Verwundet ist er jedenfalls nicht. Vielleicht hat er Malaria oder etwas ähnliches. Er schreibt weiter, dass er wahrscheinlich in ein Lazarett nach Deutschland verlegt werde. Dann werden wir ihn selbstverständlich sofort besuchen. Er hat übrigens eine neue Feldpostnummer: 03421 (das ist wohl die Nummer des Lazaretts). Du kannst ihm ja mal auf diese Nummer schreiben, ob er allerdings die Post erhält, weiss man nicht, da er hoffentlich in der Zwischenzeit nach Deutschland verlegt wird und dann natürlich wieder eine neue Nummer erhält.
Dein Päckchen Nr. 3 ist bisher noch nicht hier eingetroffen. Das Geld haben wir bereits für die Monate August, September und Oktober abgeschickt. Letzteres am 13.9. Die Post scheint ja in Punkte Geldsendungen ziemlich zu bummeln. Aber es ist nun einmal Krieg. Und da muss man manches sich gefallen lassen. Anscheinend wird aber der Zustand nicht mehr lange dauern. In diesem Sinne sei herzlich gegrüsst, Du wie auch Heinz,
von Deinem Vater.
Lieber Horst!
Da das Kriegsgeschehen uns so nahe auf die Pelle rückt, habe ich nur den einen Wunsch, daß das Schicksal es möglichst schnell und schmerzlos macht. Sollte es uns zu bund werden, machen wir es wie die Landser, buddeln uns ein Loch und ziehen den Kopf ein. Aber vorläufig scheint hier die liebe Sonne genau wie sonst. Möge sie es weiterhin tun. Dir alles Gute wünschend
grüßt herzlich Mutter.
Wie lange wollt Ihr Euch noch in Dänemark herumtreiben?