Horst Schmitt an seine Eltern, 5. Oktober 1944

No. 20

Dänemark, 5.10.44.

Liebe Eltern.

Ich habe vor einigen Tagen Euer zuletzt abgeschicktes Postgeld erhalten. Recht vielen Dank. Und wißt Ihr auch, was wir damit machen? Das Geld wird gespart! Gespart für die baldige große Heimreise nach Deutschland, die wir, wie augenblicklich die Parolen laufen, sehr bald antreten werden. Und zwar trägt diese Heimreise augenblicklich noch zweierlei Charakter für uns: entweder ist es eine Fahrt in den Urlaub oder, und das trifft auf jeden Fall zu, - es ist die Versetzung nach Osnabrück. Daß wir dann ziemlich Geld brauchen könnt Ihr wohl verstehen; denn man will ja nicht mit leeren Händen zu Hause erscheinen! Sollten wir mit unserem Urlaub bis zum Ende des 4-monatlichen Lehrganges, der wahrscheinlich in der Senne stattfinden soll, warten müssen, so ist immerhin ein Besuch Eurerseits in Osnabrück zum Abholen der Sächelchen möglich. Jetzt kommenden Dienstag ist unsere Besichtigung. Da wird sich entscheiden, wer R.O.B. wird und wer es nicht schafft. Nach der Lage der Dinge ist der R.O.B. auf jeden Fall ein Vorteil. Ich habe auch nicht den leisesten Zweifel,

daß es mir evtl. nicht glücken würde. Bisher, d. h. bis vor einigen Wochen war ich bei meinen Vorgesetzten immer ein Durchschnitt. Zuerst habe ich nicht zu erkennen vermocht, woran das eigentlich lag. Sind mir doch gerade die Sachen, die wir hier betreiben, zum größten Teil geläufige Sachen! Aber bisher hatten wir fast nur Lehrstunden gehabt, in denen das Wissen und Können nicht ganz so hervortrat. Aber eines fiel natürlich sofort auf: das ist der Eifer, mit der der Dienst von den einzelnen durchgeführt wurde. Und der ist bei mir bekanntlich nicht gerade bestaunenswert. Habe ich doch noch immer nicht die Dummheit abgelegt. nach dem „Warum“ der Dinge zu fragen. Und das ist bekanntlich beim Komiß nicht ratsam. Daß mich nun die Antworten auf diese Fragen in den meisten Fällen nicht befriedigten und dadurch mein Eifer nicht wuchs, könnt Ihr Euch ja wohl vorstellen. Dies alles ist nun in den letzten Wochen gewaltig anders geworden; denn langsam verlangt man von uns alle möglichen selbstständlichen Handlungen, wie Vorträge, Dienstdurchführungen und manches andere. Und jetzt zeigt sich, wer wirklich was kann. Jetzt kommt mir zustatten, daß ich „als Sohn meines Vaters“ reden kann, daß ich durch das langjahrige „Vorgesetzten-

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spielen bei der HJ an Hemmungen alles verloren und an Selbstständigkeit gewonnen habe. Ist z. B., wie es vor einigen Tagen vorgekommen ist, ein Uffz. zu wenig zum Ausbilden da, so muß ich den Geschützführer machen und meinen Kameraden das Geschützexerzieren beibringen. Oder soll in Gegenwart des Batteriechefs einer einen Vortrag über irgendeine Sache halten, so heißt es: Kanonier Schmitt. Bei der Besichtigung hoffe ich wohl, den Vogel abzuschießen. Auch in diesem Vierteljahr habe ich wieder feststellen können, wie weit man doch mit Radfahren kommen kann. Unser Ausbildungswachtmeister ist in der Beziehung geradezu ein Schulbeispiel. Und wenn man eben nicht gerade einen goldenen Lenker hat, kommt man nicht weit. So war es auch bei mir.

Habt Ihr nun inzwischen wieder etwas von Helmut gehört? Was hat er für eine Krankheit und wo liegt er. Ich möchte ihm schon wünschen, daß er recht lange im Lazarett bleibt; denn dort geht der Krieg gemütlicher an ihm vorüber als bei der Truppe. Vielleicht besteht sogar die Möglichkeit, daß Helmut auf seinem Genesungsurlaub und ich in einem Kurzurlaub von Osnabrück oder der

Senne zusammentreffen. Genesungsurlaub wird Helmut ja nun auf jeden Fall erhalten. Hoffentlich besteht für Euch vorher schon die Möglichkeit, ihn zu besuchen. Ist er doch jetzt fast 1 Jahr nicht zu Hause gewesen und wird sich bestimmt freuen, Euch beiden wiederzusehen. Vielleicht versucht Helmut mal, nach Bocholt ins Lazarett zu kommen! Dann wäre ja das Glück vollkommen!

Was machen nun die Familien Kraatz und Looks? Ist bei Kraatz gesundheitlich noch alles in Ordnung? Hat man Herrn Looks wieder zum Schippen herangekriegt? Was machen Frau Looks und Frau Wiesmann? Müssen die auch arbeiten? Dann interessiert mich noch eines: werden noch irgendwelche Parteiversammlungen durchgeführt?

Nun bin ich meiner Briefpflicht mal wieder voll und ganz nachgekommen. Im nächsten werde ich mal etwas unsere Wohnungsverhältnisse genauer beleuchten. Der übernächste Brief wird dann die Besichtigung und deren Ergebnis schildern. Erreicht Euch dieser Brief, so ist diese erste Prüfung im militärischen Leben schon hinter mir und hoffentlich gut ausgefallen.
Mit den besten Wünschen grüßt Euch auf das herzlichste
Euer Ältester.