Horst Schmitt an seine Eltern, 15. Oktober 1944
N. 21
Dänemark, 15.10.44.
Liebe Eltern!
Heute will ich mal eine kleine Schilderung über unsere „Wohnpaläste“ geben. In so einem „Mannschaftsbunker 44, Dänemark“ liegen gewöhnlich 6 Mann, eine Geschützbedienung. Und zwar liegen diese 6 Mann in 3 Doppelbetten, von denen 1 Doppelbett ein gewöhnliches Normbett ist, wie man sie heute überall in den Kasernen, bei der Flak und im Wehrertüchtigungslägern findet. Wollt Ihr mal welche sehen, so braucht Ihr bloß zur Wasserturmschule gehen, sofern dort noch Soldaten liegen. Diese Betten nun sind verschwenderisch groß gegenüber den beiden anderen Doppelbetten, die auf der Stube sind. Diese sind von unseren Vorgängern selbst gezimmert und sind ortsfest. Sie sind höchstens 1,80 m lang, 65 cm breit. In einem solchen Bett liege ich nun auch und sehe es als ein gutes Zeichen meiner Soldatwerdung an, daß ich in diesem Kinderbettchen herrlich schlafen kann. Am Bunker ist eine schlecht schließende Tür und eine kleine Lichtluke –
der Ausdruck Fenster ist wohl nicht der richtige -, von 30x50 cm. Selbstverständlich brennt bei diesem spärlichen Tageslicht den ganzen Tag über das Licht, das jetzt von einer selbstgekauften Birne von 60 Volt gespendet wird. Unsere Vorgänger kamen mit 25 V aus. Ist mir unerklärlich! Selbstverständlich ist die Tür nur für kleine Leute geschaffen. Ich schätze, ihre lichte Höhe wird 1,55-1,60 m betragen. Die Decke ist 1,90 m hoch, so daß ich gerade noch stehen kann. Allerdings ziehen sich zwei Stützbalken noch quer unter der Decke hin. Hier ist die Höhe noch nicht 1,70 m groß. Und jetzt kommt die große Frage, wie groß ist die Grundfläche des Bunkers? Ich schätze, es sind 3x3,5 m. Auf dieser kleinen Fläche, die für ein normales 1 Bett-Zimmer nicht ausreicht, steht nun allerhand Inventar. Zunächst die drei Doppelbetten, die wohl den meisten Platz einnehmen, dann an der Tür gleich der Ofen.
Tür Ofen Doppelbett
Schemel Tisch Regal
Fenster Essfächer
Doppelbett Doppelbett
Grundriss
Erde Dachbalken Lampe Querbalken
Normale Erde Doppelbett Doppelbett Heinzens Bett
Meine Schlafkoje Essfach
Tisch
Doppelboden
Steinplatten f. Ausgang
Seitenansicht
2
In der Mitte steht ein Tisch, der in Friedenszeiten nicht einmal das Essgeschirr für 2 Personen hätte aufnehmen können. Für 6 Soldaten reicht er voll aus!? Auch drei Schemel sind. Platz zum Sitzen bieten die Betten genug. Decke und Wände waren einmal mit Pappe ausgekleidet und diese mit Tapete beklebt. Nun regnet es ja „manchmal“ in Dänemark. Da unsere Bunker von Laien erbaut sind, waren sie bis vor einer Woche nicht wasserdicht. Hätten wir keine Zeltbahnen gehabt, mit denen wir auf unseren Bunker ein Zelt errichtet hatten, so hätte es auch jedesmal durchgeregnet, so wie es uns bei den ersten Malen auch passiert ist. Dabei ist natürlich die ganze Pappe runtergekommen. Teilweise liegen also die Balken von Decke und Wände ganz frei, was die Gemütlichkeit nicht gerade erhöht. Von den Wänden ist nicht viel zu sehen. In der Vorderwand sind Türe, Fenster und die Essfächer angebracht. An der Hinterwand sind eine Reihe Regale, auf denen Gasmasken u. a. stehen. Die Wandecke am Ofen ist mit Nägeln versehen, an denen unsere Kochgeschirre, Brotbeuteln und Feldflaschen hängen. Die Teile der Seitenwände, die noch von den Betten freigelassen sind, sind mit kleinen Regalen be-
deckt, auf denen die täglichen Gebrauchsartikel stehen. So ist der Bunker klein, aber bis ins Kleinste ist jede Möglichkeit ausgenutzt.
Ich glaube, jetzt könnt Ihr Euch wohl ein ziemlich genaues Bild machen, von dem was Euch bestimmt interessiert, von unserer Unterkunft. Ich kann nur nochmal feststellen, daß uns, als wir in diese Bunker einzogen, eine ziemliche Niedergeschlagenheit überkam, daß wir aber jetzt uns vollkommen an die Lage gewöhnt haben und ganz zufrieden sind!
Heute feiern wir zum ersten Male beim Komiß richtigen Sonntag. Wir haben nämlich den ganzen Tag keinen Dienst. Durch ein paar kleinen Unwahrheiten haben wir unsere Vorgesetzten gegeneinander ausgespielt, und mit etwas Zufall ist es uns gelungen, dienstfrei zu erhalten.
Gestern haben wir einen herrlichen Geländeritt gemacht. Der Hauptwachtmeister ritt mit 10 von uns in der Gegend herum. Über Gräben, Äcker und Felder ging die wilde Jagd. Ich hatte einen schönen Renner. Nach der Besichtigung, die jetzt nach 2 maligem Verschieben auf Dienstag, 17.10. festgesetzt ist, will der Spieß noch ein tolleres Jagen mit uns veranstalten.
Mit den besten Grüßen
Euer Horst.