Horst Schmitt an seine Eltern, 29. Oktober 1944
Dänemark, 29.10.44.
Meine lieben Eltern!
Zunächst einmal einen herzlichen Sonntagsgruß von Eurem Ältesten. Ich sitze augenblicklich im Wohnzimmer eines mittleren „danske Landman“ in der Ulfborger Heide. Vor einigen Tagen standen wir gerade mit mehreren Kameraden zur Vergatterung vor der Schreibstube angetreten, als nachgefragt wurde, wer mit nach Ulfborg fahren wolle zum Aufbauen von Zielen für ein Artillerieschulschießen. Ich habe mich dann mit noch 3 Kameraden von meiner Stube gemeldet. So ging es denn am Freitagmorgen um 8 h im offenen Lastwagen mit Wm. Grewe, unserem ehemaligen Zugführer, der uns die Beine ziemlich lang gezogen hatte, und noch 8 Soldaten von anderen Batterien los. Nach 2stündiger Fahrt kamen wir an unserem Ziel, eben dem Bauernhof, wo wir jetzt sind, an. Dort luden wir unsere mitgebrachten Zielteile ab. Dann haben wir von 12-16 h „gearbeitet“. Die Arbeit bestand darin, große Papp-
scheiben in der Gegend an schon bezeichneten Stellen aufzustellen. Jeder von uns 4 R.O.B.‘s bekam einen Zielpunkt, den er aufzubauen hat. Je nachdem was zu bauen war, bekam er dann mehr oder weniger „Leute“ mit. Man kann also diese Aufgabe als die erste militärische Führungsaufgabe ansehen. Nun sind wir gerade ein Dritteljahr Soldat und werden schon mit irgendwelchen Führungen beauftragt! Ich hatte z. B. ständig 4-5 Mann bei mir, da ich immer ziemlich umfangreiche Aufgaben hatte. Manchmal komme ich mir vor, als wenn ich noch immer HJ-Führer sei. Es besteht bloß ein Unterschied in dem Alter der Geführten. Wenn man ständig in der Stellung ist, wo noch 21 Kameraden herumlaufen, die mit einem vorige Woche zum R.O.B. befördert wurden, so ist man sich des „Wortes der Beförderung“ garnicht bewußt. Erst wenn man herauskommt bei besonderen Anlässen, merkt man dies. So „durfte“ ich vor einigen Tagen mal ein Fahrrad zu einer B.-Stelle bringen. Da kam es dann vor, daß eine ganze Reihe von Soldaten es für nötig hielten, mich zu grüßen. Und das
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bei einem Soldaten von 4 monatlicher Dienstzeit. Uns könnte also der Kamm schwellen. Ich sage ausdrücklich „könnte“, da wir Gottlob noch genug Einsichtige unter uns haben, die das Nichtige an unserer „ersten militärischen Beförderung“ erkennen und auch darüber spotten. – Wir leben also augenblicklich in der Ulfborger Heide. Bis Mittwoch dauert das schöne Leben noch. Schön ist es nämlich der mannigfachen Vorteile wegen. Zunächst essen wir hier privat. Daran kann natürlich das Komißessen nicht im entfernsten reichen. Dann gibt es „mange penge“, viel Geld, das einem natürlich jederzeit gut zu statten kommt. Und noch ein wichtiger Vorteil ist vorhanden: Ist nämlich unsere Tagesarbeit getan, die gewöhnlich aus 4-5 Stunden besteht, von denen wir aber 2-3 Stunden in der Gegend herumlaufen, so haben wir hier frei, während es in der Feuerstellung nach der Zeit geht. Also in jedem Fall ein gefundenes Fressen! Leider ist Heinz nicht dabei, da er sich nämlich vor 2 Tagen mit etwas Grippe ins Revier gelegt hat.
In unserem Leben hat sich im übrigen ziemlich viel geändert. Da hat vor allem seit unserer Beförderung bzw. seit der Besichtigung die Ausbildung aufgehört. Es geht also jetzt nicht mehr stur nach dem Dienstplan, egal ob es regnet oder ob die Sonne scheint. Es kommt jetzt darauf an, morgens und mittags bei der Arbeitsverteilung Glück zu haben und irgend einen Druckposten zu erhalten, bei dem man sich nach kurzer Zeit schon auf die Stube verdrücken kann. Dort ist es erstens warm und zweitens kann man dann in aller Ruhe Briefe schreiben bzw. lesen.
Übrigens sind wir vor einigen Tagen mal wieder umgezogen. In die Bunker sind unsere Nachfolger eingezogen und wir wohnen jetzt außerhalb der Feuerstellung bei einem Bauern. Besonders reizvoll sind hier der großartige Ofen und die Betten, die mal wieder Normalbreite und –länge haben.
Was macht nun Helmut? Ihr wißt doch sicher jetzt, wo er liegt und was er eigentlich hat? Was gibt es in Bocholt Neues? In der Hoffnung, bald etwas von Euch zu hören, grüßt Euch nochmals herzlich
Euer Horst.