Horst Schmitt an seine Eltern, 7. Januar 1945

Osnabrück, 7.1.45.

Meine lieben Eltern!

Nun will ich mal gleich meine Erlebnisse von der Dänemarkfahrt zu Papier bringen. Wie Heinz Euch am letzten Tag des vergangenen Jahres mitteilte, wurde ich ganz plötzlich zu einem Rekrutentransport nach Dänemark befohlen. Ich hatte gerade Zeit, meine „Pisi[?]“, sprich Klamotten, zu packen, ging die Fahrt los. Zu transportieren waren 40 junge Rekruten. Da zu je 10 Rekruten ein Begleiter gehört, fuhren 4 Mann mit: 1 Wachtmeister, 1 Uffz. und 2 R.O.B. zu denen auch ich gehörte. Am 31.12. ging es um 17 h los. Die ganze Fahrt erinnerte mich an den Beginn meiner eigenen Rekrutenzeit. Schon der Marsch Kaserne Bahnhof mit allem Gepäck lies Erinnerun-

gen aufkommen. Wir sind gerade am Bahnhof, da gibt es Vollalarm. Rein in den Bahnhofshochbunker. Da sitzen wir 2 Stunden. Dann gehts los. Der Wagen ist ungeheizt. Kaum sind wir aus dem Bahnhof, geht ein wahrer Flakorkan los. Wir dachten schon, unsere letzte Stunde sei gekommen. Es geht aber gut. Ich hatte mir eine Decke mitgenommen und schlief trotz der Kälte bis Bremen ganz gut. Dort gings in ein Wehrmachtsübernachtungsheim. Dort erlebten wir bei Kuchen und Plätzchen, selbstverständlich ohne Marken, den Jahreswechsel. In der Nacht noch gehts nach Hbg.-Altona und bei Tagesanbruch nach Dänemark. Welch merkwürdige Gefühle kamen auf, als man wieder Dänische Sitten sah. Am 1.1. abends um 12-1 h waren wir am Ziel. Der 2.1. wurde damit verbracht,

2

die 40 „jungen Bettenbauer“ los zu werden, das nach alter preußischer Sitte natürlich langsam und bedächtig vor sich gingen. Aber wir haben es abends geschafft und waren unser eigener Mann. Da kam die erste Frage auf: Wie kommen wir an Geld? Ich hatte 100 Zigaretten, die mir gehörten und 250 von Kameraden. Das waren also 50 Kronen für mich und 125 Kr. für Kameraden, wovon der größte Teil Heinz gehörte. An der Grenze hatte ich schon 30 Kr. erhalten. Nun hatten wir einen Uffz. bei uns, der mit allen Schlichen der Militärverwaltung vertraut war. Das Ergebnis war, jeder von uns erhielt noch 100 Kr. dazu. So hatte ich also insgesamt ungefähr 200 Kr. Damit ließ sich nun allerhand kaufen. Am 3.1. gings deshalb nach Lemvig. Dort wurde gut gegessen und eingekauft. Einen ganzen Tag verbrachten

wir damit. Da wir nun nicht fertig geworden sind, gehts am 4. nochmals nach Lemvig. Wieder wurde Sahne und Sahneeis gefuttert. So war der erste Teil unserer Fahrt erledigt. Am 5.1. gings nach Esbjerg. Bald einen ganzen Tag dauerte die Fahrt: Abends gingen wir ins Kino. Am 6.1. morgens wurden die restlichen Kronen in Fettigkeiten. Um 13 h ging es wieder heimwärts. Wir hatten diesmal alles warme Züge. Um 4 h heute morgen trafen wir in Osnabrück ein. Im Übernachtungsheim wurde gepennt. Heute sind wir den ganzen Tag am laufen und am packen und bereiten uns auf das Biwak vor. Die Kameraden sind schon eine Woche im Biwak. Bis Anfang Februar sind wir also „nicht zu sprechen“. Für Euren Brief vom 31.12. meinen besten Dank. Ich habe selbstverständlich die Uhr gefunden. Die herzlichsten Grüße

Euer Horst.