Horst Schmitt an seine Eltern, 27. Januar 1945

Im Kaffee Barenteich bei Osnabrück!

Osnabrück, 27.1.45.

1. Tag im 20. Lebensjahr

Meine Lieben.

Wieder eine Woche meines Biwakslebends ist um. Nur noch 2 stehen uns jetzt noch bevor. Dann haben wir auch diese Strapaze hinter uns gebracht. Laut Kalender war gestern ein ereignisreicher Tag, ich hatte nämlich Geburtstag. 19 Jahre bin ich nun alt. Viel ist es gewiß nicht, aber in der bewegten Zeit immerhin soviel, daß man man schon von „damals“ reden kann. Leider ist man im Augenblick so beschäftigt, daß der schönen Zeiten wenig gedacht werden kann. Gestern hatten wir allerdings abends etwas Zeit, und da habe ich mich früherer Geburts-

tage erinnert. Im vorigen Jahre war ich gerade auf Urlaub von der Flak, nachdem ich die für die damaligen Verhältnisse unangenehme Zeit der Quarantäne hinter mir hatte. Im Jahre davor 1943 feierte ich Geburtstag mit Jochem und Rudolf. Heinz war in der KLV. Abends sind wir noch im Lindenhof gewesen, wo Helmut Tanzunterricht hatte. Was war da noch schöne Zeiten gegenüber den heutigen. Man hatte den Komiß noch in weiter Ferne, trotzdem Jochem und Rudolf 2 Wochen später eingezogen wurde. Meinen Geburtstag 1942 feierte ich noch als absoluter Schüler, fern den Kriegsereignissen als gerade neu gebackener Fähnleinführer. Und jetzt? Jetzt sitze ich in einem Kaffee bei

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Kaffee und Kuchen und habe noch nicht einmal Heinz bei mir, der sich heute nachmittag ins Zelt gelegt hat, um seinen Husten zu lösen. Was viel schlimmer ist, ist die Verschlechterung der militärischen Lage. Wir hören ja nichts anderes als alle 2 oder 3 Tage den Wehrmachtbericht. „Innerpolitische Dinge“ werden uns garnicht bekannt! Daß die Neuigkeiten des OKH nicht gerade ermunternd wirken, wißt Ihr genau. Hoffentlich trifft für den Westen nicht dasselbe ein. Man wird bei dem allgemeinen Chaos zum immer größeren Egoisten. Solange es bei uns noch in Ordnung ist, solange ....! Das ist der einzige Gedanke. Daß er nicht richtig ist, weiß ich genau. Und trotzdem, jeder ist sich selbst der nächste. Ich weiß

genau, daß solche Meinungen man nicht öffentlich vertreten kann. Im Stillen denkt doch jeder dasselbe! –

Am kommenden Dienstag, dem 30. Jan., haben wir eine Vorbesichtigung. Auf dieser Besichtigung wird es sich wohl entscheiden, wer in diesem Lehrgang den Vogel abschießt. Da es mir nicht gegeben ist zu radfahren, da ich sogar oft das Gegenteil davon tue, bleibt mir nichts anderes übrig, als durch Können mein Ziel zu erreichen. Gott sei Dank fällt mir das nicht sehr schwer, da ich für militärische Dinge ziemlich viel Sinn habe. Ich werde mich also auf der Besichtigung nicht allzusehr ins letzte Glied stellen! Daß ich auf der Besichtigung eine Reihe von Sonderaufgaben zu erfüllen habe, steht schon jetzt

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fest. Heute morgen war nämlich Chefunterricht und da wurde die Vorbesichtigung besprochen. An den Aussprüchen unseres Zugführers, Herrn Leutnant Schieren, auch Fähnrichsvater genannt, ging meine Beauftragung klar hervor. Hoffentlich habe ich einen guten Tag!

Was gibt es nun in Bocholt Neues? Ist dort immer noch das Schießen von der Front zu hören? Wir wohnen ja hier in Zelten, die etwa 60 cm tief ausgeschachtet sind. So hören wir nachts ein dauernden Frontlärm. Über dem Boden ist nichts zu hören, aber sobald man im Zelt ist, ist es deutlich zu hören.

Was machen die Familien Kraatz und Looks? Wie gefällt Dieter Kraatz die neue Aufgabe? Wo

steckt er? Was macht Rudolf? Haben Looksens nun Nachricht von ihm? Welche Adresse hat er? Wo steckt er? Immer noch Angehöriger des FHQ? Was machen die sonstigen Bekannten in Bocholt? Wißt Ihr Neuigkeiten von den Verwandten? Die mir zuletzt bekanntgemachten waren ja nicht sehr erfreulich. Es sind ja ziemlich viele Vettern vermißt. Hoffentlich haben die übrigen mehr Kriegsglück! Zum Schluß die wichtigste Frage: Wo ist Helmut hingekommen von Leobschütz? Ihr habt sicher noch keine Nachricht. Schreibt mir sofort.

So nun Schluß. Heinz läßt grüßen. Die herzlichsten Grüße

Euer Ältester.