Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 23. Juni 1943
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Frechen, den 23.6.1943
Mein lieber Adi!
Mitten aus der Arbeit heraus schreibe ich Dir einen kleinen Brief. Unser Chef ist nämlich gerade per Rad nach Weiden zum Wirtschaftsamt gefahren, seine Lebensmittelmarken zu holen. Da muss ich die Zeit doch unbedingt ausnutzen, um Dir schnell ein paar Zeilen zu schreiben. Draussen ist eine Knallerei als hätten wir den schlimmsten Fliegeralarm, doch Gott sei Dank bedeutet es nur Übungsschiessen.
Was wirst Du wohl jetzt im Moment machen? Zu gerne möchte ich das wissen. Ob Du auch mal an mich denkst, so während des Dienstes?! Ich denke sehr oft an Dich und an unsere vergangenen Urlaubstage. Ich wünsche, dass ich die Zeit nochmal um drei Wochen zurück drehen könnte. Du auch? Wie schön es doch war, kommt mir erst jetzt so recht zum Bewusstsein. Trotz Regen waren es herrliche faule Tage.
Ginge doch jetzt die Zeit auch so schnell herum, wie in den Ferien. Doch was nutzt da alles Kümen. Ändern kann man daran doch nichts. Heute ist nun Mittwoch, mein „Wahntag“. Ich könnte nun schön dorthin fahren, mich irgend wohin setzen und in Erinnerung schwelgen. Dieser weise Vorschlag wurde mir heute morgen von einer Kollegin gemacht. Ja, so wei[!] kommt das noch.
Was Neues weiss ich leider garnicht zu schreiben. In die Lindenstrasse 82 komme ich ja auch nur noch höchst selten, nur noch Samstags. Was soll ich denn da auch so oft bei den alten Leutchen (Pardon, so alt sind sie nun wieder nicht, aber im Vergleich zu uns doch) wenn Du nicht da bist, hat auch die Lindenstrasse wenig Anziehungskraft für mich. Überhaupt, nichts macht einem rechten Spass. Hoffentlich bekomme ich recht viel Post während Deiner Frankreichzeit, natürlich nur, wenn Du Zeit hast. Auf Deine Briefe freue ich mich nämlich am Allermeisten. Hoffentlich finde ich heute abend wieder einen recht netten Brief von Dir vor. Wie geht es Dir sonst noch? Was macht die Blase an Deinem Fuss? Meine Heiserkeit ist wieder ziemlich verschwunden, dafür habe ich jetzt ordentlich den Schnupfen und Husten.
Übrigens, über Samstag - Sonntag sollte ich nach Ürzig fahren.
Aber alleine? Nein, dazu habe ich keine Lust.
So, nun muss ich schliessen, die Arbeit Ruft!!!
Recht liebe Grüsse und Küsse und einen besonders lieben Kuss
von Deiner Annelie.