Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 22. Oktober 1944

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Köln, den 22.10.44

Mein lieber Adi!

Heute ist mal wieder Sonntag; die Woche über war ich in Frechen und gestern, Samstag, bin ich zu Fuß nach Köln getippelt. Auf der Strecke von Frechen nach Köln sind hunderte von Bomben gefallen. Jetzt muß ich sehen, wie ich morgen früh wieder hin komme. Ebenfalls kann ich nicht zum Frankenforst. Es besteht absolut keine Verbindung dorthin.

Man ist nur auf vorbeifahrende Lastautos und dergleichen angewiesen, und das ist Glücksache. Deshalb sei auch nicht

bös, wenn ich Dir Deine Mütze und Deinen Dolch nicht holen konnte. Deine Eltern haben gestern, am 21. auch erst den Brief bekommen, in dem Du um die betreffenden Sachen batest. Ich glaube nicht, daß sie das Paket überhaupt noch abschicken wollen. Es hätte ja auch garkeinen Zweck mehr. In vierzehn Tagen ist doch schon Dein Lehrgang beendet und bei den heutigen Verhältnissen kommt ein Paket bestimmt nicht in dieser kurzen Zeit bis Thorn. Es wäre doch zu schade um die schönen Sachen, wenn sie verloren gingen. - So, ich habe mir den Brief bis hierher nochmal durchgelesen und ich finde, daß er reichlich sachlich

ausgefallen ist. Nun ja, das muß ja auch mal sein. Also, Liebster, Du ich freue mich ja so. Diesem Lehrgang soll also noch ein nächster folgen. Ach das ist ja herrlich. Du glaubst garnicht, um wieviel mir nun leichter ist. Bist ein tüchtiger Kerl, Adschki! Ich selbst habe allerdings die letzte Post vom 2.10. von Dir, habe aber die Neuigkeit schon von Deinen Eltern erfahren, ebenfalls habe ich schon das neue Photo bewundern dürfen. Ich hoffe stark, daß ich morgen endlich auch wieder Post von Dir habe, oder hast Du mir etwa nicht mehr geschrieben? (Ist natürlich Unsinn!) In vierzehn Tagen also ist der Lehrgang in Thorn beendet.

Ob Du trotzdem ein paar Tage Urlaub bekommst oder wenigstens auf der Durchreise nach Köln kommen kannst? Hoffentlich ja! Ich bin ja mal so gespannt. Nun freue ich mich auch viel viel mehr auf Dein Kommen. Ist es auch schon gewiß mit dem nächsten Lehrgang? Dann wärest Du also noch zwei - drei Monate im Reich. Wie ist es denn nun mit unseren Papieren? Ich war gestern wieder auf der Polizei wegen der Staatsangehörigkeitsbescheinigung. Sie war aber leider noch nicht da. Ich glaube, die mußte vom Polizeipräsidenten unterschrieben werden. Nun ja, es ist ja kein Wunder, daß alles so lange

dauert, hier ist ja durch die dauernden Angriffe alles in Durcheinander geraten. - Jetzt haben wir schon wieder 1 ½ Stunde im Keller gesessen. Ich saß hier so schön vor Deinem Brief und war am überlegen, was ich noch mehr schreiben könnte, da rollten auch schon einige Bomben - ohne Alarm. Wie wir in den Keller gekommen sind?! - Ich weiß es nicht! Der Bombenkrieg wird für uns allmählich unerträglich. Eure Hausbewohner schlafen zum größten Teil im Keller. Bei jedem Geräusch springt man auf. Hoffentlich hat alles bald ein Ende. Mir ist der Schreck so in die Glieder gefahren, ich kann überhaupt

nicht mehr schreiben.

Liebster komm! bald!

Recht liebe Grüße und einen besonders lieben Kuß

Deine Annelie.