Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 24. Oktober 1943

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Köln, den 24.10.43.

Mein lieber Adi!

Nun haben wir heute Nachricht aus Warschau bekommen. Wir haben uns schon Gedanken gemacht, weshalb wohl so lange keine Post von Dir kam. Egal, in welcher Gegend Deutschlands Du auch stecken solltest, länger als fünf Tage wäre die Post doch nicht gegangen. Und nun hatten wir seit dem 12. nichts mehr von Dir gehört. Wer hätte auch gedacht, daß Du ausgerechnet

in der Polakei kämest.

Ist ja schade, daß wir Dich jetzt noch nicht besuchen können. Deine Eltern waren ja sehr geknickt, Dein Vater sogar wütend. Ich bin schon glücklich so. Weiß ich doch, daß Du nicht mehr in diesem scheußlichen Rußland bist und, daß Du außer Lebensgefahr bist. Alles andere ist doch unwichtig. Auch ist es nicht ausschlaggebend, daß wir Dich so noch nicht besuchen können. Hauptsache, Du bist noch da. Ich habe mit Deinen Eltern ordentlich geschimpft.

Was gäbe mancher darum, die einen Angehörigen im Felde haben oder ver-

loren haben, wenn sie denselben außer Lebensgefahr in einem Lazarett in Warschau wüßten.

Das muß man sich nur mal recht vor Augen halten, dann ist man schon so zufrieden. Ich hatte mich zwar auch schon riesig darauf gefreut, daß wir Dich in der nächsten Woche besuchen könnten. Nun ja, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Hoffentlich geht es Dir bald wieder besser, daß Du kein Fieber mehr hast. Gell, dann kommst Du bald in die Heimat.

Hoffentlich dauert es recht lange, ehe Du wieder ganz heil bist. Nach Ruß-

land lasse ich Dich auf keinen Fall mehr. Nein, das kommt nicht in Frage. Ach, liebster Peps, ich bin ja doch glücklich, wenn ich Dich endlich nochmal sehen kann. Ich hab’ ja doch schreckliche Sehnsucht nach Dir. Schreib’ mir auch recht oft, ja? Dein Vater hat heute morgen ein Telefongespräch nach Warschau angemeldet. Hoffentlich geht es noch durch. Gerade wurde der Wehrmachtsbericht durchgegeben. Dann bin ich jedesmal froh, daß es so gekommen ist. Ich hätte keine ruhige Minute mehr. Bestimmt nicht. Es ist aber auch furchtbar. Die armen Jungs da draußen. (Gerade kam das Telefongespräch. Leider sagte man uns, daß Du im Teillazarett lägest. Eine ganz andere

Nummer. Dann müssen wir Warschau nochmal neu anmelden. Schade. Dein Vater will morgen nochmal versuchen. Meine ganze Post wird ja nun wieder umkommen. Ich werde Dir alle Briefe nachschicken, sonst müßte ich alle Neuigkeiten noch einmal schreiben, und ich habe sie schon zweimal geschrieben, einmal ins Feld und einmal nach Wilna. Zwei Briefe, die heute morgen umkamen, lege ich gleich bei.

Mir geht es sonst noch sehr gut. Wenn doch nur der Krieg bald aus wäre, dann wäre ja alles gut. Ich muß tagsüber so viel an Dich denken. Wie mag es Dir gehen und wie magst Du aussehen.

Sicher siehst Du sehr schlecht aus und bist ganz blaß. Wenn ich jetzt bei Dir sein könnte und Dich gesund pflegen dürfte. Wenn wir wüßten, daß Du länger in Warschau bliebst, kämen wir nach dort, aber so ist es ja zwecklos. Deine Briefe an mich, gehen alle noch über Wittlich. So dauert es immer noch einige Tage länger, ehe ich Post habe. Dumm, daß wir Dich eben nicht erreichen konnten, dann wüßtest Du jetzt schon, daß ich wieder in Köln bin und ich hätte Deine Post schneller.

Für heute recht liebe Sonntagsgrüße und Küsse

Deine Annelie.

Eure neue Telefonnummer: 45538 Köln