Andreas van Kann an Anneliese Hastenplug, 8. August 1943
8. August 43.
Meine liebe Annelie,
endlich! Lange genug habe ich auf Nachricht von Dir gewartet. Heute nun kam Dein lieber Brief und die Karte an. Ich bin schon froh, daß es Dir einigermaßen zusagt! Nun mal der Reihe nach. Ich hätte doch nicht gedacht, daß Euer Zimmerchen so schrecklich primitiv ist. Da wohne ich im Moment aber noch komfortabler, ja - das ist leider wahr! Nun seht aber bitte zu, daß Ihr möglichst bald dort herauskommt. Dann wäre ich vollständig beruhigt.
Wirklich - über Deinen Arbeitsplatz freue ich mich sehr. Besonders, daß Du nicht mit den vielen Leuten zu-
sammen arbeiten mußt - halte ich für kollosal günstig. Weißt Du - Genies (sagen wir besser Talente) müssen in der Stille wirken. Nein im Ernst: Es ist besser so, Du kannst dadurch viel eher eine günstigere Position bekommen. Oder sehe ich da etwa die Lage falsch? Auch finde ich die Herkunft Deiner Kollegin irgendwie sehr passend, (!) hoffentlich ist die Dame auch im Umgang grad’ so nett, wie es scheint. Vielleicht kann Frau Dr. Maaßen (der Name ist mir von den D.W. her geläufig - ich glaube, das sind Kunden von uns gewesen) Dir irgendwie einen Wink geben. Oder fährt die immer nach Trier? Nun - ich will nicht so drängen; Du wirst es schon schaffen, klar!
Weiter finde ich es direkt ultrabombastisch, daß Mittwochs Nachmittags Leibeserziehung für Euch angesagt ist.
Das ist fabelhaft. Mache bitte tüchtig mit; glaub’ mir - es ist sehr nützlich!
Beim Komiß verarbeitet sich niemand - haha, das hätte ich Dir vorher sagen können. Gehe hin und tue desgleichen - es kommt Dir nur zu Gute. Vielleicht hast Du in Frechen zuviel getan, Du warst ja mit den Nerven total herunter. Jetzt hast Du die beste Gelegenheit, Dich zu erholen: kein Alarm, herrliche Gegend, Strandbad! Da kann ja nichts mehr passieren.
Und wie steht es mit den Finanzen? Insgesamt habt Ihr wohl 307,- RM. Ich glaube, da könnt Ihr wohl gut mit auskommen. M. E. dürftet Ihr da ruhig 70,- RM für die Wohnung ausgeben. Und dafür sollte man eigentlich (in Wittlich!) ein tadelloses Zimmer
Was mit meinen Eltern los ist, weiß ich nicht. Seit dem Urlaub habe ich nichts mehr von ihnen gehört. Ich habe schon 2 Briefe zum Moselgold geschrieben. Nun will ich aber auch gleich mal zur Lindenstraße schreiben. Wer weiß, weshalb die nicht gekommen sind, das Telegramm war bestimmt klar und deutlich. Vielleicht sind Sie mittlerweile eingetroffen. Die Sorge wegen der Kosten brauchst Du Dir nicht zu machen - mein alter Herr muß das bezahlen, das werde ich ihm schon schreiben. Im Übrigen wird er das schon tun. Ich kann nur nicht verstehen, weshalb mir meine Eltern mal nicht geschrieben haben, das ist mir unbegreiflich, ich bin doch schon fast 14 Tage hier. Nun, ich will mal abwarten - wollen ja nicht hoffen,
das irgendetwas ernstliches vorliegt.
Mir geht es wieder ausgezeichnet. Die innerliche Grippe habe ich wohl überwunden. Das geregelte Leben ist doch sehr gut. Ich bin wieder richtig im Dreh drin. Jetzt ist die Arbeit mit den Rekruten etwas weniger geworden. Doch man hat mir mal ein Aufgabengebiet dazu geboten, wovon ich Dir demnächst mal etwas erzählen werde. Es hat sich wieder mal bewahrheitet: Wer viel kann, kann viel arbeiten! -
Genaues über unsere Abstellung habe ich noch nicht in Erfahrung bringen können, der betreffende Mann war nicht da heute. Morgen werde ich mich ihm aber wieder auf die Pelle hängen.
Liebste, ich grübele schon wieder, wie ich einen Urlaub bekomme.
Vor einer Abstellung müßte das eigentlich klappen. Halte mir bitte beide Daumen; mal sehen, was sich machen läßt.
Und dann habe ich ja soviel Sehnsucht nach Dir. - Jetzt lebe ich nur noch von der - ach, so schönen - Erinnerung. Ich glaube, Koblenz war wohl bisher das Schönste während der langen Jahre unserer Liebe. - Annelie - ich hab’ Dich ja so lieb. Du bist mir alles auf der Welt. So wie es in Deinem Brief stand: In Dir und mit Dir liegt des Lebens schönste Belohnung. Ich glaube, schöner kann man es nicht sagen. Gibt es etwas höheres und tieferes - etwas heiligeres als die bedingungslose Liebe zweier Menschen?
Jetzt ist es schon spät. Gleich lege ich mich in die Heia, und kann nur an Dich denken und von den schönen
Stunden träumen. Könntest Du jetzt bei mir sein, hier auf meiner Stube. Platz ist genug und gemütlich ist es auch. Aber darauf käme es ja garnicht an. Raum ist in der kleinsten Hütte für ein glücklich liebend Paar...
Nun - es ist Krieg. Es ist die Zeit der Bewährung der Herzen. Wenn alles einmal zu Ende sein wird, dann wirst auch Du für Dein leidvolles Warten belohnt werden. Wir werden es später einmal zu würdigen wissen - was es heißt, ein geregeltes Leben zu führen. Und ich will es Dir immer schön machen. Und Du tust mich ein bißchen verwöhnen, ja! Das hab’ ich nämlich so gerne - ich bin doch sehr liebebedürftig; jawohl, bin ich auch. Wenn ich Dich jetzt hier hätte, würde ich
Dich fast totküssen; aber nur fast, damit ich morgen auch noch was hätte. Liebe, gute Annelie!
Ich liebe Dich,
Du liebe, gute, sorgende Frau!
Gute Nacht
Dein Adi.
Ein Urlauber hat wieder 1 Pf. Schokolade mitgenommen, er wird sie per Einschreiben an Dich absenden! Hoffentlich bekommst Du die andere auch! -
P.S. Wenn das Papier keine Tinte hält, schreibe ruhig mit Blei oder (wenn Du Zeit hast) mit der Maschine - das stört mich nicht im Geringsten! -