Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 4. September 1943
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Frankenforst, 4.9.43.
Mein allerliebster Adi!
Immer noch habe ich keine Post von Dir. Woran mag das nur liegen, ich habe solche Angst um Dich. Wie mag es Dir gehen? Ob Du auch noch keine Post von mir bekommen hast, ich schreibe Dir doch jeden Tag. Ich würde so gerne auf Deine Post verzichten, wenn ich nur wüßte, daß es Dir gut ginge. Sicher ist es schon sehr kalt dahinten in Rußland. Wie magst Du frieren, liebster Peps! Wenn ich Dir doch nur helfen könnte.
Aber nein, ich weiß ja nicht einmal wie es Dir augenblicklich geht. Wenn Du nur wiederkommst. Wären wir doch nur schon zwei Monate weiter. Wenn ich mir so vorstelle, daß Du dann wirklich wieder da bist, Du leibhaftig vor mir ständest und ich Dich anfassen könnte, das scheint mir so unwirklich. Ist es schon so lange her, daß Du weg bist? Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, dabei habe ich Dich so lieb und solche Sehnsucht nach Dir. Peps, diesmal muß Dein Urlaub aber unbedingt sehr, sehr schön werden, gell?
Hast Du mich eigentlich auch noch lieb oder hast Du in Rußland eine schöne Marruschka gefunden? Du, Du! Aber das ist doch natürlich nur Scherz.
Du siehst aber, eifersüchtig bin ich immer!
Na ja, das kommt eben daher, weil ich Dich so schrecklich lieb habe. Ich würde Dich auch niemals einer anderen gönnen, Du müßtest mich denn schon garnicht mehr lieb haben. Das heißt, auch dann würde ich Dich keiner anderen gönnen, es bedeutete für mich den Tod. Liebster, ob Du wirklich im November auch wieder zurück kommst?! Hoffentlich, hoffentlich! Ich werde Dich dann totlieben und küssen. - Außer meiner großen Sehnsucht bin ich kerngesund. Uns geht es noch ganz gut. Deine Eltern sorgen ja auch rührend für uns. Peps, Du hast wirklich sehr gute Eltern, bestimmt, jetzt erst habe ich das so richtig schätzen gelernt. Auch Dein Vater ist so gut. Früher habe ich ihn oft verkannt, man muß ihn halt erst richtig kennen lernen. Wie sollten solche Eltern auch einen schlechten oder bösen Sohn haben, der sein Frauchen nicht liebte. Gell, das gib’s doch garnicht? Wir werden uns auch später immer, immer lieb haben. - Unsere Mutter ist heute morgen wieder weg gefahren. Es ist ihr und uns ordentlich schwer gefallen.
Trennung ist immer abscheulich! Der Abschied, der mir bisher am wehesten tat, war der letzte, O, der schnitt mir so richtig ins Herz. Ich glaube, es hat geblutet - um so schöner wird das Wiedersehen!
Mein liebster Peps, laß Dich ganz liebhalten und küssen
von Deiner Annelie.