Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 5. Oktober 1943
9
Köln-Frankenforst 5.10.43.
Mein lieber guter Adi!
Heute wurde ich schon wieder enttäuscht. Immer ist noch keine Post von Dir gekommen. Ich bin so unglücklich. Wüßte ich doch nur ob Dir nichts passiert ist. Den ganzen Tag muß ich daran denken. Wie werde ich aufatmen, wenn Du mal wieder aus diesem verdammten Rußland heraus bist. Ich würde für Gott weiß wie lange darauf verzichten, Dich zu sehen, wenn ich mich nur nicht mehr mit dem Gedanken herum schlagen müßte: ob er überhaupt noch lebt? Verrückt könnte man dabei werden. Ich will nicht, daß Du von mir gehst, hörst Du, ich will nicht! Ich habe Dich doch so lieb und könnte ohne Dich garnicht mehr leben. Wie mag es nur zusammen hängen, daß ich so garkeine Post bekomme? Es muß doch furchtbar dahinten hergehen; denn daß es an Dir liegen würde, könnte ich mir garnicht vorstellen. Du schreibst mir doch bestimmt, weil Du doch weißt, daß ich mich so sorge. Hoffentlich ist morgen ein lieber Brief von Dir da! Du hast doch jetzt bald Geburtstag. Mein Geburtstagsbrief ist doch sicher angekommen.
Es wäre ja furchtbar, wenn Du ihn nicht rechtzeitig bekommen hättest. Aber ich habe ihn rechtzeitig abgeschickt. Ich muß sooft an voriges Jahr um diese Zeit denken. Da warst Du noch in Köln, die Zeit zwischen Arbeitsdienst und Militär. Ach Peps, es waren doch herrliche Tage. Damals hatte ich noch die stille Hoffnung, daß sich in einem Jahr viel geändert hätte; der Krieg wäre aus, Du wärest wieder für immer bei mir. Daß Du noch nach Rußland mußtest, hätte ich nie geglaubt; das heißt, ich wollte es nicht glauben. Ja, und wie vieles hat sich in der Zwischenzeit geändert, ach Gott! Nun ja, hauptsache, wir sind noch da. Wie oft stehe ich vor unserem Haus und denke, hier könntest Du jetzt auch drunter liegen. Das Schicksal hat es anders gewollt. Und darum meine ich auch, es bliebe uns weiter hold! Alles hat einmal ein Ende! -
Sonst gibt es garnichts Neues. Wir haben sehr viel Fliegeralarm, tagsüber und nachts. Im Frankenforst merken wir weniger davon. - Im Geschäft ist momentan furchtbar viel Arbeit. Wir sind nämlich nur zu zwei Mädels, zwei sind in Urlaub und eine ist krank. Da geht es doll rund. Ich bin aber ganz froh darüber, so kommt man wenigstens nicht ans Grübeln. Abends, wenn ich im Bett liege, denke ich immer über uns Beide nach. Oft ist es sehr schön. Meist schlafe ich mit diesem Gedanken ein. Mein Herzliebster 1000 Küsse
Deine Annelie.