Andreas van Kann an Annliese Hastenplug, 19. Oktober 1943
Warschau, 19/10.43.
Meine allerliebste Annelie!
Heute hat man mich - das heißt meinen Götterkörper - in so ziemlich allen Variationen geröngt[!]. Man will jetzt genau feststellen, wie und wo das Altmaterial steckt, um es dann evtl. auf operativem Wege zu entfernen und der Schrottsammlung zur Verfügung zu stellen. (Kameraden rieten mir, doch ganz dort hin zu gehen!!) Nun - es ist mir furchtbar egal, was man mit mir anstellt - bloß soll man mich möglichst bald ins Reich verlegen. Das ist mir im Moment das Wesentliche. -
Ich hatte auch heute Gelegenheit, mich in einem großen Spiegel zu betrachten. (ich wurde dabei von zarter Hand - aus beruflichen Gründen sind diese Hände zart, also keine Bange!! - gestützt) Was denkst Du - ich war ziemlich platt. Ich sah einen schmalen, schmächtigen Jungen auf dürren Beinchen und einer
unerhört modernen Taile. Das wird wahrscheinlich die Folge des Liegens sein und dann habe ich ja auch eine ganze Portion meines so wertvollen Blutes verloren. Dabei futtere ich wie in alten Tagen und bekomme im Hinblick auf mein Alter und die Verwundung noch Zusatz-Verpflegung in Form von Milch oder eines Eies oder Pudding und dergleichen. So werde ich wohl alles wieder nachholen; gar so umfangreich brauch ich ja auch garnicht mehr zu werden. Was meinst Du, mein Liebling?
Ich habe mir auch überlegt, als ich so vor dem Spiegel stand, wie ich Dich wohl umarmen könnte. Den rechten Arm habe ich wohl ganz frei, aber so richtig knutschen könnte ich Dich noch nicht. Es müßte schon bei einem zarten Berühren bleiben. Zum Glück ist mein Schnäuzlein nach wie vor in Ordnung und es sehnt sich nach wie vor nach zwei wundervollen roten Stellen unter dem süßen Näschen einer gewissen - - naja! Was nicht ist, kann ja noch werden, gell! -
In Ermangelung neuer Briefe von Dir,
habe ich eben mal ein paar alte gelesen. Zum Glück habe ich ja immer welche bei mir - sonst hätte ich ja garnicht geschriebenes gehabt, die langen Monate jetzt. Und da hat mich ein Brief etwas zum Nachdenken veranlaßt. Da tauchte das Thema: Heiraten auf. Du wirst Dir vielleicht schon Gedanken gemacht haben darüber, wie es jetzt wohl kommen mag. Und da bist Du bestimmt wieder mutlos geworden und hast gedacht: es kommt ja doch alles anders, als man es sich denkt - es geht ja doch alles schief - usw. und so weiter ... (Ich müßte da nicht meine Annelie kennen - Du ungläubiger Schatzmatz!) Aber da hast Du furchtbar daneben gedacht! Du kennst doch wohl (zu Genüge) Deines zukünftigen Mannes eisener Wahlspruch! (Ich brauch’ ihn wohl nicht mehr zu wiederholen!) In diesem Sinne: komme was da wolle: Weihnachten 1944 wird geheiratet, ob Offizier oder nicht. Sollte das etwa das Entscheidende sein? Nein! Im Übrigen ist meine Laufbahn noch lange nicht zu Ende. Ich habe dem Arzt die Frage danach mal vorgelegt. Der hat
mich ob meines Zweifels ausgelacht. Als ob ich der einzigste ROB wäre, der mit einer Verwundung zurückkommt! Selbstverständlich komme ich zur Waffenschule, wenn ich wieder gesund bin. Natürlich wird der Lehrgang, zudem wir vorgesehen waren, ohne mich starten. Doch das wird ja nicht der letzte sein - ein viertel Jahr später läuft der nächste und da bin ich dabei!
So, jetzt ist auch dies Kapitel wieder klar. Sonnenklar, gell!
So laß mich schließen.
Viele liebe Grüße und einen heißen - ganz langen Kuß
Dein Adi.