Andreas van Kann an Annliese Hastenplug, 28. Oktober 1943
Warschau, 28/10.43.
Meine liebe, gute Annelie!
Da kam nun heute die erste Post - zum ersten Mal nach langer Zeit hielt ich einen Brief von Dir in der Hand. Es ist wohl leicht erklärlich, daß mir das Essen kalt wurde - es war nämlich gerade Mittag. Aber daß macht nichts - garnichts. Wie gerne hätte ich ... wenn ...
Ach, Annelie - wie froh bin ich, daß es Dir gut geht, daß Dir Deine Arbeit wieder gefällt, daß Du ein schönes Heim hast - und alles ist fast wieder gut. Ich habe geglaubt, Du würdest auch bei uns wohnen - na, so ist es ja auch „ganz nett“, besonders wenn ich mal Urlaub bekomme... Man müßte dann halt ein paar Tage früher kommen, als man nach Hause schreibt. - Nun, darüber läßt sich ja noch reden, gell!
Da will ich jetzt mal Deinen Brief beantworten. Die Briefe, die Du mir nach vorne geschrieben hast habe ich wohl gelesen - aber ich möchte sie nicht
im Einzelnen beantworten, die Erinnerung an diese Zeit ist nicht schön. Trotzdem möchte ich Dich bitten, mir die Briefe laufen zurückzusenden, wie Du sie bekommst, schon wegen der Neuigkeiten; und dann habe ich viele Briefe von Dir!
Ja, das war Post, daß der Lazarett-Zug nur bis Warschau fuhr. Wir hatten alle gehofft direkt von Wilna in’s Reich zu kommen - leider hat man uns aber nur bis in die Polakei gefahren. Zuerst hieß es, nur für 3 - 4 Tage, aber bei mir war halt die Behandlung notwendiger als eine Verlegung. -
Warum mein Vater wütend war, verstehe ich nicht recht; Du hast schon ganz recht mit Deiner Ansicht, daß man zunächst einmal froh sein soll, dem Schlamassel glücklich entronnen zu sein. Das ist tatsächlich das Wesentliche! Und besuchen könnt Ihr mich immer noch - ich bleibe ja schließlich keine Ewigkeit hier, es kann sich ja jetzt tatsächlich nur noch um Tage handeln. - -
Ehe ich wieder zum Einsatz komme, vergeht noch eine schöne Zeit. Zunächst einmal muß ich gesund werden. Dann kommt die Kriegsschule und alles, was damit zusammen hängt. Und was dann kommt? Nun, das weiß noch keiner. Wahrscheinlich ist aber bis dahin (um es mit Leanders Lied zu sagen:) ein Wunder gescheh’n, und es
werden tausend Wünsche wahr ...
Wer weiß!!
Wie ich nun aussehe? Nun, ich kann das nicht so recht beurteilen; wahrscheinlich sehe ich aus, wie man so im Allgemeinen im Krankenhaus aussieht. Jedenfalls pflege ich mich sehr. Haare und Hände (bzw. Hand!) sind wie in alten Zeiten und wenn ich erst mal wieder an die frische Luft komme, werde ich auch wohl wieder Farbe bekommen. Meine Fingernägel lasse ich wachsen, die in Ordnung zu bringen überlasse ich Dir bei Deinem Besuch. -
Deine Briefe riefen mir so manche schöne Erinnerung wach ... Mein Zimmer ... Du, Annelie, es waren dort herrliche Stunden, damals in meiner Wahner Zeit. Wir waren so richtig glücklich, gell. Da hat ja das Soldatspielen auch noch Freude gemacht, selbst wenn auch der Dienst schwer war. Denn ich war bei Dir. Für 15 Pfennig fuhr ich bis zu Euch, fast vor die Haustüre. Das war noch eine Zeit! Ich werde nie die Worte vergessen, die unser Kommandeur uns zum Abschied sagte: „Ihr werdet noch mal mit Tränen in den Augen an die Wehrkreisführerschule in Wahn denken.“ Der gute Mann hatte garnicht so unrecht! -
Jetzt aber haben wir ja noch ein paar schöne Monate vor uns. Schade, daß jetzt Winter ist. Ich werde
natürlich sehen, daß ich soviel Urlaub, als irgend möglich herausschlagen kann. Zunächst (!) stehen mir ja mal 2 x 14 Tage zu; Genesungs- und Jahresurlaub. Dann will ich über Weihnachten natürlich auch fahren und dann hat man noch so diverse Scherze, die man als Frontkämpfer schon mal anwenden kann. Damals als Grünhorn war das schlecht möglich, aber jetzt!!
Wir müssen uns dann aber auch schöne Tage machen, egal wie. Im Winter wird es wohl auch mal schöne Tage geben; wenn man wohl auch kein „Pick-Nick im Walde“ (ach - war das herrlich!) machen kann, spazieren kann man aber doch. Und Du wohnst ja direkt im Walde. Das muß ja fabelhaft sein. Ich komme Dich oft besuchen, ganz diskret natürlich!!
Nun nimm meine herzlichsten Grüße
+ einen lieben, langen Kuß
Dein Adi.