Andreas van Kann an Anneliese Hastenplug, 3. Dezember 1943
Budweis, 3.12.43.
Liebste Annelie!
Ja, da hat’s mich wieder mal ganz schwer umgehauen. Man soll sich nicht gleich zuviel zutrauen. Komme ich doch am Dienstag aus dem Konzert (die Schwester hatte mir zum Namenstag eine Karte geschenkt!) und war total kaputt. Wieder Schmerzen und Fieber: 39,8 - Mittwoch warens schon 40,7 und dann wurde ich „gespritzt“ mit allerlei neckischen Giftchen. Glücklicherweise mit Erfolg; gestern ging es mir schon wieder besser, es waren nur noch 38,5 und heute geht’s fast wieder gut mit 37,6 - Soweit die „Ausgangsauswirkung“ Ja - man ist halt noch nicht ganz in Ordnung, da soll man sich nicht zuviel zumuten. Bitte, Annelie, sag’ den Eltern nichts davon, die haltens
dann ja daheim nicht mehr aus, die sind ja nicht so vernünftig wie Du. Da soll man sie soetwas nicht wissen lassen; meinst Du nicht auch? -
Heute bekam ich nun gleich drei liebe Briefe von Dir, den vom 22/11., 27. und 28/11. Da kann man doch mal sehen, wie unterschiedlich die Post läuft. Überhaupt kommt mir die Sache mit meinen Briefe nun doch etwas komisch vor. Ich habe wohl jeden Tag (mit 3 oder 4 Ausnahmen!) geschrieben, meist in den Frankenforst. Sollen diese Briefe denn nicht angekommen sein. Oder sind sie vielleicht im Frankenforst unters Fußvolk geraten? - Ich verstehe das wirklich nicht! (Natürlich konnte ich jetzt im Fieber nicht schreiben, Du weißt ja selbst, wie einem da zu Mute ist!)
Meine allerliebste Frau, Du sorgst Dich! Gewiß, ich verstehe das. Aber Du mußt bedenken, daß ich ja noch
die Kriegsschule vor mir habe. Das dauert mit allem Drum + Dran ein gutes halbes Jahr. Und was dann ist - - naja, das steht auf einem anderen Blatt, vielleicht ist dann schon Friede - wer weiß!!! -
Ich weiß, mein Schatz, Euer Leben ist nicht einfach, gewiß nicht. Es ist halt alles so trostlos! Was machte es in normalen Zeiten aus, wenn man massig viel Arbeit hätte? Garnichts! Aber heute! Nein, weißt Du, das ist kein Leben mehr. Wenn man sich’s so recht überlegt: nun ist man im schönsten Alter - ich meine wir beide - und was haben wir davon? Nichts garnichts! Weil Krieg ist! Dieser tausendmal verfluchte Krieg. - Ach, ich will aufhören, sonst packt mich die Wut! -
Man kann sich halt nur auf später freuen. Du, Liebling, das sage ich Dir, das wird herrlich. Dann wird alles nachgeholt, was wir jetzt versäumen müssen. Das steht aber fest. Hoffentlich liegt das alles
nicht in allzuweiter Ferne! -
Du, ich bin froh, daß Du Deinen Urlaub auch noch im nächsten Jahr bekommst, ich habe schon fast nicht mehr damit gerechnet, daß wir die Tage gemeinsam verleben könnten. Jetzt wird es ja prima gehen. Meines Erachtens können wir ohne weiteres für die 8 Tage wegfahren. Meine Eltern werden nichts dagegen haben und Deine brauchen’s nicht zu erfahren. - Wo wir hinfahren ist ja ganz wurscht. Los ist ja nirgends was. Nur das wir mal für ein paar Tage jede Minute beisammen sind! Du, Annelie - ich freue mich ja so. Und soviel Sehnsucht habe ich! Gell, es wird auch ganz herrlich - besonders die Nächte! - Und schnarchen werde ich auch nicht, na - das weißt Du ja selbst. Auch müde werde ich nicht sein - ich kann ja hier genug schlafen; diesmal sollst Du Dich nicht beklagen müssen, daß Du noch nicht einmal ein Küßchen
von mir hättest bekommen können, Du böser Liebling - - -
Auch ich hatte vorigen Sonntag mit einem Anruf gerechnet; hatte mich schon gefreut, wenigstens mal mit Dir sprechen zu können. Vielleicht gelingt es Euch übermorgen, Budweis zu erreichen. Obwohl ich nicht viel Hoffnung habe, denn die Telefonverbindung nach hierher, ist überhaupt sehr schlecht, wie überall im Protektorat. -
Laß mich schließen, Annelie!
Einen ganz lieben Kuß
Dein Adi.
Annelie!
Einmal wirst Du wieder nahe sein,
Deine Hand in meiner ruhig halten
irgendwo. Wirst all die lieben, alten
Worte sagen, ganz für mich allein.
Und es werden alle Tage mir
sehr gering erscheinen vor dem einen.
Einmal werden alle groß und kleinen
Tränen trocknen.
Denn ich bin bei Dir ...
Dein Adi.