46

Köln, den 31.12.43.

23.30 Uhr.

Mein lieber Adi!

Silvesterabend! Noch eine halbe Stunde und das neue Jahr beginnt. Was mag es uns bringen? Hoffentlich nichts Schlechteres als in diesem Jahre. Doch was sollen wir uns den Kopf darüber zerbrechen. Es kommt ja doch alles wie es kommen soll. Jedenfalls wünsche ich für Dich, bezw. für uns Beide das aller allerbeste. -

Nun sitzen wir hier, Deine Eltern, Frau Schramma, Fritz, Adele und ich bei Wein und Likör. Doch eine rechte Stimmung will nicht aufkommen. Du fehlst uns halt doch am meisten, vor allem Dein Humor. Wenn Du jetzt hier wärest, bestimmt wäre es etwas lustiger. Hoffentlich können wir den nächsten Silvester zusammen feiern. -

Heute wurde mir auf der Sparkasse Dein Einschreibebrief abgegeben. Vom Frankenforst wurde er dorthin geschickt, weil man ihn dort nicht annehmen konnte. Dein Vater erzählte nun heute abend, sie hätten auch einen Brief von Dir bekommen, Dir aber die rechte Antwort darauf geschrieben. Da habe ich schon

ganz den Mund gehalten. So ist es doch am Besten, Du kommst zuerst nach Hause. Ich bin eigentlich auch dafür. Deine Eltern warten doch auch so sehnsüchtig auf Dich. Und dann wird Dresden für uns Beide auch zu teuer werden und auf die Kosten Deines Vaters wollen wir doch nicht in Urlaub fahren. Komm’ mal zuerst hierhin, dann kann man das weitere schon sehen.

Bist Du nun böse? Nein! Du weißt doch, daß ich bis ans Ende der Welt zu Dir käme. Aber da kann man nun leider nichts dran machen. Ich weiß ja auch garnicht, was Deine Eltern Dir geschrieben haben. Liebster, sei nicht traurig, es wird auch so schön werden. Was meinst Du?

Mein Liebster, gleich ist es 12 Uhr. Ich küsse Dich im Geiste ganz ganz lieb - und nun nimm mich doch ganz feste in den Arm. Ich hab’ Dich doch so lieb. Sicher wirst Du jetzt in dieser Minute auch an mich denken. Gell, das tust Du doch gewiß. Wärst Du doch nur hier.

Ich habe solche Sehnsucht nach Dir. -

So, jetzt ist es soweit: Prosit Neujahr!!!

Deine Annelie!