Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 22. April 1944

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Köln, den 22.4.44

Mein lieber Adi!

Ich sitze hier ganz alleine in Eurer Wohnung und fühle mich ziemlich einsam und verlassen.

Es ist Samstagnachmittag, Deine Mutter ist einkaufen und Dein Vater spukt mal wieder im ganzen Haus herum. Überall ist noch Durcheinander und noch aufzuräumen und auszubessern. Im Moment brannte zum erstenmal wieder das elektrische Licht. Ja, das sind Zustände. Doch ich weiß genau, in ein paar Wochen ist alles wieder vergessen, d. h. wenn wir ab jetzt in Ruhe gelassen werden. Die Kölner Bevölkerung ist nun mal so und das ist auch gut. Heute morgen war ich wieder in Frechen zur Arbeit. Heute fuhr die B („B“ Bahn nach Bensberg via Frankenforst) auch wieder bis zum Heumarkt, aber außer den rechtsrheinischen Vorortbahnen fahren noch in der ganzen Stadt keine Straßenbahnen. Vom Heumarkt bis Hohenlind mußte ich zu Fuß tippeln, von da aus fuhr ein von einer Lokomotive gezogener Straßenbahnwagen bis Frechen Bahnhof. Hoffentlich ist der Verkehr bald wieder geregelt. Ich habe nämlich heute schon wahnsinnigen Muskelkater. Jetzt lachst Du! Es ist aber wahr. Ich kann

meine Beine fast nicht mehr aufheben. (Wie unsportlich)

Stell’ Dir mal vor, meine neuen braunen Schuhe sind beim Schuster in der Mastrichterstraße verbrannt. Pech! wo ich sowieso keine habe. - Das wehe Auge Deiner Mutter ist fast wieder gut. Sie war ein paarmal damit in der Lindenburg. Übrigens von Deinen Eltern soll ich besonders grüßen, Deine Mutter hat im Augenblick natürlich nicht soviel Zeit zum Schreiben. - Ich hätte so gerne für Deine Eltern draußen ein Zimmer zum Schlafen. Meinst Du, man könnte eines bekommen? Nein, es ist alles besetzt. Nun ja, erklärlich ist es ja. Hier draußen werden überall kleine Holzhäuser gebaut mit zwei Zimmer. Wie sollte man die Menschen auch sonst alle unterbringen?! Adele und Frau Schramma sind heute nach Leichlingen gefahren. Frau Schramma möchte diese Nacht mal ruhig schlafen. Adele kann momentan auch nicht arbeiten. In die AOK sind drei Bomben gefallen. Natürlich wird der Betrieb so schnell wie möglich wieder eröffnet, wenn auch nur notdürftig. -

Nun kann ich mich gleich schon wieder auf die Socken machen und zum Frankenforst fahren.

So grüße und küsse ich Dich ganz lieb und lange

Deine Annelie.