Andreas van Kann an Anneliese Hastenplug, 23. Juli 1944

23.7.44.

Liebste, es ist ein herrlicher Sommerabend. So wie sie selten sind nach sonnenschweren Tagen. Kühlender Abendwind weht zum weit offenen Fenster hinein, draußen hält die Natur ihren Feierabend. Ich habe das Gefühl, daß alles liebt - sich hemmungslos Eros ergeben hat ... Das sind die schönsten Stunden für mich - alles ist ruhig, ausgeglichen nach des Tages Last. Die Welt atmet die Süße der Erfüllung. - -

Und zu allem Überfluß noch Léhar’s göttliche Melodien ...

Kannst Du Dir denken, wie mir ist? Das hält doch kein Mensch aus! Sag’ mal, warum muß eigentlich immer solche Ferne zwischen uns liegen? Manchmal mag ich es garnicht be-

greifen. - Jetzt müßtest Du bei mir sein, Liebling - wir würden einen kleinen Bummel durch die abendliche Sommerwelt machen; nur an der Hand möchte ich Dich halten. Nur bei mir sein müßtest Du - Deine Nähe müßte ich spüren. Das wäre dann ein Sommerabend ...

Derweil ich hier träume liegst Du vielleicht schon zu Bett - so ganz alleine - ach, Liebling wie ich Dich liebe und wie groß meine Sehnsucht ist. Dein liebes Gesicht sehen dürfen und auch Deine Schönheit. Ja, Du bist wirklich schön - schön im reinsten Sinne. An Leib und Seele. - -

Ich bin der reichste Mensch, Annelie - weil ich Dich besitzen darf ...

Dein Adi.

Geliebte in der Ferne
des Nachts die gleichen Sterne,
die sehen mich und Dich -
Und in den Tagenzeiten
strahlt über alle Weiten
für Dich und mich
das gleiche Sonnenlicht ...