Andreas van Kann an Anneliese Hastenplug, 23. August 1944
23.8.44.
Meine Liebste,
zuvor einen recht lieben Gruß! Ich habe wieder zwei liebe Briefe vor mir liegen, den vom 18. + 20. Du schreibst mir immer solch liebe Briefe, daß ich Dir garnicht genug danken kann. Was bist Du für ein lieber Mensch! Wie bin ich glücklich, daß ich Dich besitze! Annelie, das kann ich Dir garnicht sagen. Wie arm sind doch die Menschen, die nicht im Bewußtsein einer solch gläubigen Liebe leben! Es gibt nichts schöneres - garnichts aber auch. Was sind persönliche Erfolge? Was ist Ruhm, Erfolg? Nichts! Über allem steht unsere Gemeinschaft - unser Wollen, miteinander leben zu wollen.
Annelie, wie lieb ich Dich!
Ich habe nach wie vor immer gleich viel Arbeit. Doch ist man jetzt zur Einsicht gelangt, daß man uns doch mal wenigstens einen freien Nachmittag geben muß, um alles mal verdauen zu können; um mal einen gewissen Abstand von den Dingen zu bekommen. So ist jetzt der Donnerstag-Nachmittag immer dienstfrei. Der Außendienst ist auch nicht mehr so umfangreich, dafür umsomehr die geistige Beanspruchung. Ich hätte nie gedacht, daß der Stoff an der Schule so umfangreich ist. Ich bin froh, daß mir die Sache immer Freude macht. Es macht nämlich viel aus, ob man mit Passion bei der Sache ist, oder ob man alles als Last empfindet. Außerdem muß ich sagen, daß mir die Dinge irgendwie liegen. Nun, bis jetzt hat es tadellos geklappt; ich bin auch der Überzeugung, daß ich’s schaffe. Du drückst mir ja feste die Daumen, gell!
Wenn Du nun mal bei mir wärst, wäre ich restlos glücklich. Selbst wenn wir uns nur an einem Tag der Woche sehen könnten, das wäre mir schon genug! Ach, ich darf garnicht daran denken. Ich habe doch so garkeine Lust irgendwas zu unternehmen - es ist doch alles sinnlos ohne Dich. Ja, jetzt müßten wir miteinander zum Baden gehen können. Du, hier ist ein nettes Schwimmbad. Wir hatten jetzt verschiedentlich dienstliches Schwimmen. Da habe ich auch dauernd an unsere herrlichen Tage in Herchen, Steinbach und Eisstadion denken müssen. Vielleicht können wir im nächsten Sommer wieder mitnander[!] zum Schwimmen gehen! Hoffentlich! Du, wir machen mal eine Reise an die See, das wird Dir bestimmt gefallen. Ich
habe ja schon mal ein paar Tage das Strandleben kennengelernt, damals, als ich mit Albert Webler auf Großfahrt war. Aber da kannte ich Dich noch nicht, leider! Wir hätten uns eigentlich mal viel früher kennen lernen müssen, gell!
Nun, Liebste, wie fühlst Du Dich so als angehende Ehefrau? Hast Du Dich schon mit dem Gedanken vertraut gemacht, bald - auch nach Außen hin - eine richtige Frau zu sein? Du ich bin doch unheimlich stolz, wenn ich demnächst nicht mehr an das „Fräulein“ zu schreiben brauch. Du, dann bist Du ja richtig meine Frau! Fein!
Da ist nun der Bartto[=?] auch gefallen! - Es ist furchtbar, all die jungen Kerls müssen so in’s Gras beißen, es ist jammerschade. Hast Du mal was vom
Christian Okrem gehört? Der müßte doch jetzt auch Leutnant sein!
Der Herr Becker meint also, daß der Krieg zu Ende des Jahres aus sei! Ja, das wäre schön; aber - um ehrlich zu sein - ich kann mir das beim besten Willen nicht vorstellen. Wie sollte das denn sein? Ich sehe da nicht mehr durch. Schön wär es jedenfalls, sehr schön. Du, dann geh’ ich nie mehr von Dir fort, dann wollen wir uns nie mehr trennen. Ich bin die dauernde Trennung nämlich unheimlich leid. Jahr um Jahr immer das selbe: Warten, warten, warten! Das wird man leid. -
Dann mußt Du Dir also noch die fehlenden Urkunden besorgen. Die Taufurkunden brauchst Du nicht, außer Deiner eigenen, und die
kirchliche Heiratsurkunde Deiner Eltern. Soviel ich weiß, ist das aber in Eurem Familienbuch eingetragen, außerdem kann Deine Mutter sich das sehr schnell besorgen, Deine Eltern haben doch gewiß in Koblenz geheiratet. Aber das ist ja alles nicht unbedingt notwendig; das brauchen wir ja nur zur kirchlichen Trauung. Zur militärischer Heiratsgenehmigung brauche ich’s nicht. Übrigens ist die Sache ziemlich einfach! Sag mal hast Du schon mal was von einer „Eignungserkundigung“ gemerkt? Mußt Dich mal umhören! -
Es könnte schon gut sein, daß wir vor Fritz + Adele verheiratet sind; denn bei der augenblicklichen Lage glaube ich nicht so recht an Urlaub. Schade, ich gönne es der Adele besonders! -
So will ich schließen, Liebste!
Es ist schon spät - Gute Nacht - mein liebes, gutes Frauchen!
Dein Adi.