Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 1. September 1944

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Frechen, den 1.9.44

Mein lieber Adi!

Als ich heute morgen zur Sparkasse kam, fand ich wieder einen sehr lieben Brief von Dir vor. Eigentlich hätte ich ja heute zum erstenmal um ½ 8 Uhr zum Dienst erscheinen müssen, aber in Anbetracht meines weiten Weges darf ich denn doch erst um 8 Uhr kommen. Vorher wird ja doch noch nicht viel getan. Du meinst also, ich wäre eine solche „Kapazität“, daß die Sparkasse mich nicht entbehren könnte. Na, ganz so siegesgewiß bin ich nicht. Je nachdem wie viele aus unserem Betrieb herausgezogen werden, könnte es ja doch möglich sein, daß auch ich zu den Opfern gehöre, was ich allerdings nicht hoffen will. Aber schließlich bin ich ja nicht in der

Partei. Na, es ist ja auch an und für sich belanglos. Hauptsache, daß Du und ich den Krieg überleben. Bestimmt, daß ist meine einzige und größte Sorge; alles andere berührt mich kaum mehr. Deshalb fahre ich auch bis November noch bestimmt in den Frankenforst. Schließlich muß ich doch mein Leben für Dich erhalten. Im übrigen bin ich aber auch zu egoistisch, mein Leben durch feindliche Bomben beenden zu wollen. Schließlich möchte ich auch noch was vom Leben haben, denn das Dasein, das wir jetzt führen, kann man bestimmt nicht mit „Leben“ bezeichnen, und nur der Gedanke, daß es doch einmal anders wird, kann einen überhaupt hoch halten.

Die Wohnungsfrage ist natürlich geklärt; denn es wäre ja wirklich zwecklos, sich um eine Wohnung zu bemühen, direkt lächerlich!

Ich sehe’s doch täglich bei Frau Steiger. Was die für eine Lauferei hat. Und was besseres, als bei Euch fänden wir ja sowieso nicht.

Mein Ideal ist es ja auch nicht, doch einmal wird sich ja auch das ändern. Schade, daß es nicht in den Sommer geht, dann könnten wir wunderschön jeden Abend zum Frankenforst fahren, so wird sich das außer Samstags und Sonntags ja kaum machen lassen. Wir kämen ja immer in den Alarm und mein armer Mann bekäme nichts zu essen. Die einzige Sorge diesbezgl. macht mir die „Hochzeitsnacht“. Wo werden wir die verbringen? Es wäre mir furchtbar, wenn wir dann bei Euch zu Hause bleiben müßten. Dein Vater sagte nämlich gestern schon, daß natürlich bei Euch gefeiert werden müßte. Sicher macht Dein Vater Dir auch Vorschläge deswegen. Du mußt mir

das aber schreiben, ich kann mich einfach nicht mit Deinen Eltern darüber unterhalten. Weshalb kann ich selbst nicht sagen. Deine Eltern sehen doch in Dir noch richtig das Kind, und wenn sie dann vom Heiraten anfangen, dann genier ich mich immer ganz wahnsinnig. Ich muß mich halt noch zuerst daran gewöhnen. Ich bin ja froh, daß Deine Eltern sich schon damit abgefunden haben. Mit den Meinen sind wir schnell fertig. Dein Vater ist übrigens schon am „Feiern“. Er hat schon seine sämtlich noch vorhandenen Nahrungs- und Genußmittel aufgezählt. Ich bin ja allerdings davon überzeugt, daß sich bis November allerhand ereignet und geändert hat. - Meine Papiere trudeln so allmählich ein. Hoffentlich kommen die Urkunden aus Wittlich bald, gestern kam das Ehetauglichkeitszeugnis an. Sobald ich alles beisammen habe, schicke ich sie sofort ab.

Heute habe ich die Genehmigung Deines Vaters auf der Maschine abgetippt. Jetzt muß der arme Kerl auch noch damit zur Polizei. Das ist ihm doch sicher sehr unangenehm.

Ich glaube, Deine Eltern haben den von Dir erwähnten Brief schon gestern erhalten.

Es ist ja wirklich rührend, daß Du so um Dein zartbeseitetes Liebchen besorgt bist. Bin ich wirklich so zartbeseitet? Ich kann doch wirklich nichts dafür. Gell, Du hast viel Ärger mit mir? Ich werde mich bestimmt bessern. Ich hab’ Dich doch so sehr lieb!

Liebster, ich muß schließen, die Pause ist um. So grüße und küsse ich Dich lieb!

Deine Annelie.