Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 10. September 1944

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Köln, den 10.9.44

Mein lieber Adi!

Heute ist Sonntag. Gerade kamen wir aus dem Kino: „Der große Preis!“ wurde gegeben. Es steht einem ja eigentlich nicht mehr der Kopf danach, trotzdem sind es Stunden, in denen man an nichts zu denken braucht, in denen man alles vergißt. Wir leben ja hier in einer kollosalen Spannung. Das kannst Du Dir wohl vorstellen. Nachdenken darf man überhaupt nicht. Wenn ich abends im Frankenforst bin und so ganz alleine in meinem Bett liege, dann ist es am Schlimmsten. Wann werden wir uns wiedersehen? Werden wir uns überhaupt nochmal wiedersehen?

Sollten wir uns vor zwei Monaten um ½ 6 Uhr auf dem Koblenzer Bahnhof zum letzten Mal gesehen haben? Soll das der Abschied für immer gewesen sein? Liebster, schon damals war mir so weh ums Herz wie nie zuvor, obwohl wir doch eigentlich die Gewißheit hatten, uns in 3 - 4 Monaten bestimmt wieder zu sehen. Ich bin so traurig. Daß mir etwas zustoßen könnte, der Gedanke ist mir nicht der Schlimmste, aber der, Dich nicht mehr wiederzusehen, bringt mich zur Verzweiflung. Soll ich denn nie mehr Deinen lieben Mund küssen dürfen, mich in Deine Arme schmiegen dürfen? Ach, Adschki, wie lieb hab’ ich Dich doch.

Du warst immer so lieb und gut zu mir und hast mich verstanden wie niemand. Und wie ecklig war ich manchmal zu Dir und hab’ die Minuten unseres Zusammenseins und unserer Liebe garnicht zu schätzen gewußt. Was gäbe ich heute um eine einzige dieser Stunden. -

Vielleicht will es das Schicksal, daß wir doch alles glücklich überleben und für immer beisammen bleiben können. Wie müssten wir ihm dankbar sein und jeden Tag zu einem Feiertag machen und ihn als kostbares Geschenk betrachten. Daß aus unserer Heirat etwas wird, ich mein so, wie wir es jetzt geplant haben, glaube ich kaum. Es müßte die Front dann schon zum Halten kommen, was ich kaum glaube und dann ist es ja

mit einem Lehrgang in Wahn sowieso aus, na und Urlaub gibt’s wohl auch kaum, das siehst Du ja an Fritz. Einzig möglich wäre es, wenn bis dahin der Krieg aus wäre, na und dann stellen sich uns andere Schwierigkeiten in den Weg - Du im Osten und ich im Westen. Ach, was ist das trostlos. - Ich werde Dir trotzdem die Papiere schicken, wenn ich sie endlich beisammen habe. Ich hab’ mir ein solch hübsches schwarzes Kleid für unsere Hochzeit gekauft mit Goldstickerei auf den Blattstücken. Übrigens, Maywald hat man zu einem Lazarett umgestaltet, wie wir hier in der Nachbarschaft gehört haben. Das ist aber auch alles so unwichtig, wenn Du nur bei mir bist. So, mein Lieber, mach’s gut und behalt immer lieb

Deine Annelie.