Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 1. Oktober 1944
39
Köln, den 1.10.1944
Mein lieber Adi!
Als ich gestern zum Frankenforst kam, fand ich zwei liebe Briefe von Dir vor, den einen riesig langen, den Du während der Nacht vom 16. zum 17. geschrieben hast und den vom 22.9. Über den ersten habe ich mich besonders gefreut, das war ein richtiger kleiner Roman mit vielen lieben Erinnerungen. Nur glaube ich, Du machst Dir zu viele Sorgen und Gedanken hier wegen uns. Ich denke garnicht mehr darüber nach, das macht einen zu fertig, sondern ich lasse alles auf
mich herankommen. Wir ändern durch unser vieles Denken und Erwägen doch nichts daran. Nur meine ich, je eher die Entscheidung fällt, desto besser. Das jetzige Vegetieren betrachte ich nicht als Leben, ich glaube, da ist es noch schöner, wenn man garnicht da ist und eben von allem nichts weiß.
Das soll absolut nicht heißen, daß ich gerne tot sein möchte. Vielleicht, wenn ich Dich nicht hätte, wär’s mir egal, aber so muß ich doch für Dich da sein. Ich habe den allerfestesten Willen dazu und darum habe ich auch das Gefühl, daß wir alles überstehen werden, allerdings kann ich
das Gefühl nicht loswerden, daß uns noch allerhand in der Zwischenzeit bevorsteht viel Leid und Schmerz. Manchmal wird mir ganz bange davor. Wenn dann so ein lieber Brief von Dir kommt, der beruhigt mich immer sehr, das ist doch Deine liebe Schrift, Deine lieben Gedanken, die Worte, die Du zuletzt zu mir sprichst, wenn auch nur auf dem Papier. Mir fällt es manchmal so schwer, Dir zu schreiben. Dann sitze ich da, mein Herz und mein Kopf ist übervoll von allem was ich Dir schreiben will. Dann denke ich, was sollst Du denn nur zuerst schreiben und auf einmal kommt mir alles so unwichtig vor, daß ich Papier
und Tinte wieder auf die Seite lege. Ich hab’ dann ein wahnsinniges Heimweh nach Dir, das ich garnicht in Worte fassen kann, ich könnte dann nur weinen in meiner Not. Liebster, was schreib’ ich Dir da alles. Das soll ich doch garnicht tun. Ich mache Dir das Herz doch nur schwerer dadurch und das will ich doch gewiß nicht. Vielleicht kannst Du mich auch garnicht verstehen, schließlich bist Du ja ein Mann und kannst Dein zartbeseitetes Mädchen nicht immer begreifen. Aber es ist doch manchmal so sehr schwer. Es kann ja auch alles noch so wahnsinnig lange dauern. Nun sind wir doch schon im sechsten Kriegsjahr, manchmal meine ich, es könnte
nicht möglich sein, die trostlos zerstörte Stadt - überhaupt - alles! Unser schönes schönes Kölle! Hundert Jahre werden dazu nötig sein, ehe es mal wieder so aussieht, daß man das Grauen verliert wenn man durch seine Straßen geht. Du brauchst garnicht zu lächeln, Du lieber Optimist! -
Von den Eltern erhielt ich gestern Nachricht. In der Stadt müssen die Flieger arg gehaust haben, bei den Eltern hat’s nochmal gut gegangen, die Herz-Jesu-Kirche ist auch ausgebrannt. -
Von Adele bekam ich gestern auch einen Brief. Sie hat noch immer keine Nachricht von Fritz. Was soll man nur davon halten? Da stimmt doch
sicher etwas nicht. -
Gestern war Oberfähnrich Christian Ohren auf der Sparkasse. Ich soll Dich vielmals von ihm grüßen. Er war ja auf der Waffenschule in Frankreich. Die Schule hätte Glück gehabt, daß sie nicht in den Kampf hinein geworfen worden wäre, sondern nach Groß. Born verlegt worden wäre. Christian O. war jetzt auf der Durchreise zum Ersatztruppenteil. Ob er noch Urlaub bekäme, wußte er noch nicht genau, hofft aber, daß es noch 10 Tage Urlaub gibt. Die Kompagnieführerlehrgänge fielen übrigens alle aus. Die Ofhr. werden von der E.-Truppe als Leutnant zur Front abgestellt.
Adi, Liebster, das war mir aber ein Schlag ins Kontor. Wenn wir wirklich im nächsten Monat noch hier sind, so wird aus unserer Wahner Zeit also doch nichts, wo wir uns doch so sehr darauf gefreut haben. Es ist sehr schade. Doch, was sollen wir es heute schon bedauern. Wer weiß, was bis dahin ist. -
Heute ist ein ganz blödsinniger Sonntag! Ein Wetter, daß man keinen Hund vor die Türe jagen soll, die beste Gelegenheit, meine Strümpfe mal alle wegzustopfen. Zuerst muß ich aber auch noch ein Brieflein an meine Eltern schreiben.
So sende ich Dir liebe Sonntagsgrüße!
Deine Annelie.
b. w.
Adi, Liebster, das war mir aber ein Schlag ins Kontor. Wenn wir wirklich im nächsten Monat noch hier sind, so wird aus unserer Wahner Zeit also doch nichts, wo wir uns doch so sehr darauf gefreut haben. Es ist sehr schade. Doch, was sollen wir es heute schon bedauern. Wer weiß, was bis dahin ist. -
Heute ist ein ganz blödsinniger Sonntag! Ein Wetter, daß man keinen Hund vor die Türe jagen soll, die beste Gelegenheit, meine Strümpfe mal alle wegzustopfen. Zuerst muß ich aber auch noch ein Brieflein an meine Eltern schreiben.
So sende ich Dir liebe Sonntagsgrüße!
Deine Annelie.
b. w.