Anneliese Hastenplug an Andreas van Kann, 4. Oktober 1944

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Frechen, den 4.10.44.

Mein lieber Adi!

Wir haben Mittagspause. Ich habe mein üppiges Mittagsbrot verzehrt, nun habe ich noch ein halbes Stündchen Zeit, die ich benutzen will, Dir ein liebes kleines Brieflein zu schreiben. Weißt Du, wenn ich zu Hause bei Euch am Tisch sitze, da kann ja jeder auf meinen Brief äugen und schließlich geht es ja niemanden an, was ich Dir Liebes schreibe. Ich bin totunglücklich, weil ich die ganze Woche keine Post von Dir habe. Deine Mutter hat sich schon

angeboten, die Post im Frankenforst abzuholen, aber das kann ich ja nun doch nicht verlangen. So muß ich mich halt doch bis Samstag gedulden. Es fällt mir ja sehr schwer. Sicher hab’ ich dann aber eine ganze Menge Briefe. Hoffentlich ist auch Dein Bild dabei. Deine Mutter hat es mir gestern abend gezeigt. Aber ich war zu bange, es mir so richtig eingehend zu betrachten, die haben mich nämlich alle dabei angesehen. Es hat mir gut gefallen, aber um es ganz richtig zu besehen, brauche ich doch mindestens eine halbe Stunde. Ich habe überhaupt so eine

wahnsinnige Sehnsucht nach Dir. Manchmal glaube ich, ich könnte es so garnicht länger aushalten und möchte am Liebsten nach Thorn kommen. Ich habe ja einen schönen Trost: In einem Monat werden wir uns ja wiedersehen. Und wenn dahinter nicht das Schreckgespenst stände, daß Du kurz danach wieder an die Front kommst, könnte ich mich sogar sehr freuen. Es liegt ja noch ein ganzer Monat dazwischen. In dreißig Tagen kann ja allerhand passieren und wiederum auch nichts. Adschki, wann ist der Krieg denn endlich aus? Ich glaube manchmal,

er nimmt garkein Ende.

Wie geht es Dir sonst noch? Wodurch bist Du denn so schlank geworden, warst Du krank? Das kannst Du aber doch ruhig schreiben!

Liebster, ich muß nun schließen. Hast mich noch lieb? Ich Dich sehr, sehr!

So laß Dich lieb grüßen und ganz heiß küssen

Deine Annelie.