10.1.1945.

Meine liebe Annelie,

etliche Tage nun liegen wir schon auf der Bahn und haben bisher kaum eine Strecke hinter uns gebracht, die normalerer Weise ein Personenzug in 1 Stunde zurücklegt. Zum Glück sind die Wagen gut und heizbar; außerdem habe ich mir’s äußerst prächtig eingerichtet - als Adju steht mir das wohl zu!! Jawohl! -

Liebste, ich habe jetzt seit langen Wochen und Monaten endlich mal wieder Zeit um meinen Gedanken - und Träumen - nachzuhängen. Ich komme endlich wieder mal zu Besinnung. So ist jetzt die letzte Zeit noch einmal vor mir abgerollt - seit dem letzten Tag,

als wir uns in Koblenz verabschiedeten. Ich will nicht daran denken, wie ich die Welt um uns, wie sich vor allem unsere schöne Heimat verändert hat. Das ist ja so grauenvoll, daß man garnicht recht den Mut aufbringen kann, daran zu denken, wie es sein könnte. Diese Betrachtungen wären schließlich auch äußerst müßig! -

Du weißt, liebe Frau, die Zeit an der Schule IV war für mich sehr schön. Vielleicht habe ich Dich etwas vernachlässigt! Ja, ich gebe das sogar zu und manchmal hatte ich das Empfinden, als ob Dir das sehr weh täte, daß Du es aber gewissermaßen „still-duldend“ ertragen hast. Ich mag mich da täuschen,

obwohl ich das recht gut verstehen kann. Doch ich weiß ja, daß Du verstehst, warum ich für Dich so wenig Zeit hatte - nun, darüber haben wir uns des öfteren unterhalten - ja, ich habe es ja nun auch glänzend geschafft. Wenn es weiter so hinhaut, bin ich zufrieden. Meine Dienststellung macht mir zwar noch erhebliche Schwierigkeiten, es ist nicht so einfach, besonders der Umgang mit den Herrn Kompanieführern - man ist kein Vorgesetzter und befiehlt doch, man muß es ja! Nun, ich hoffe, daß es hinhaut, schließlich bin ich ja nicht auf den Kopf gefallen - es sei denn im Laufe der Zeit machten sich persönliche Dishar-

monien breit, wonach es nicht den Anschein hat. Ärgern, oder meine Nerven ruinieren tue und lasse ich mir auf keinen Fall - meinen Vorgänger hat dieser Posten ja zur Strecke gebracht! - Naja, ich will mir keine unnötigen Sorgen im vorab machen, alles ran kommen lassen - man kann nie so dämlich denken, wie es beim Barras kommt! -

Liebling - Du, ich habe so eine ganz stille, innere Fröhlichkeit - seit unseren glücklichen Tagen im alten Jahr. Gewiß fällt mir das Getrenntsein sehr schwer, doch - ach weißt Du - man kann das so schlecht sagen ... ich bin eben von Herzen froh und glücklich darüber, daß ich Dich endlich ganz besitze und - ach, nichts

weiter, ich hab Dich einfach furchtbar lieb

und sehne schon wieder den Tag herbei, wo wir uns wiedersehen.

Liebste,

einen ganz lieben Kuß

Dein Adi.