KAS (Köln)

Gesamtbeurteilung der Klasse OI

Gesamtgutachten der OI (Ostern 1952):

Während der ganzen Oberstufe hat die Klasse in ihrer Gesamtheit wirkliches Interesse an dem dargebotenen Stoff, erfreulichen Arbeitswillen und merkliche Reife bewiesen. Aufgeschlossenheit, geistige Regsamkeit und ehrliches Streben waren deutlich zu spüren. Der Unterricht bei diesen Mädchen war für alle Lehrenden besonders erfreulich, weil man stets den Eindruck hatte, dass der dargebotene Lehrstoff nicht einfach hingenommen, sondern mit echter, innerer Anteilnahme aufgegriffen und verarbeitet wurde. Wenn auch nur wenige über dem Durchschnitt hinaus begabt sind, so kann man die Gesamtheit der Klasse durchaus geistig interessiert nennen. Bei aller Verschiedenheit und persönlichen Eigenart der einzelnen Schülerinnen herrschte ein besonders ausgeprägter feiner Kameradschaftsgeist unter ihnen, der sich in Leid und Freud bewährte, eine ausgesprochene gegenseitige Hilfsbereitschaft, die sie in verständiger Art betätigen, wenn es galt, schwächere Mitschülerinnen zu fördern.

Die besonders hervortretende menschliche Reife dieser Mädchen ist z.T. wohl aus den schwierigen Verhältnissen zu erklären, unter denen manche von ihnen sich durcharbeiten mussten.

Es war in jeder Beziehung eine Freude, mit diesen Mädchen im letzten Jahr eine achttägige Studien- und Wanderfahrt zu machen. Sie genossen diese Zeit dankbar; interessiert für alles, was sie Neues sehen konnten, aufgeschlossen für die Natur, fähig zu Stille und Besinnlichkeit. Die Bescheidenheit und der ausgesprochen höfliche und natürlich-liebenswürdige-Verkehrston der Oberprimanerinnen untereinander, der auch im Alltagsleben in der Schule immer zu spüren war, trat in diesem so viel freieren Zusammensein ganz besonders zu Tage.


Beurteilung

Gertrud ist ein einfacher, grader, ehrlicher Mensch. Sie ist von mittlerer Begabung, selbständig und weiss mit dem Leben zurechtzukommen. Ihre Ruhe hilft ihr mit manchen Schwierigkeiten fertig zu werden. Sie ist durchaus zuverlässig, sehr höflich und von liebenswürdiger Art. Bei ihren Mitschülerinnen ist sie durch ihren Frohsinn, ihre Gutmütigkeit und stete Hilfsbereitschaft geschätzt. Ihr reges Streben, besonders im letzten Jahr, ist anzuerkennen.

Lebenslauf

Am 30. August 1932 wurde ich als Tochter des Arztes Dr. med. Ludwig P. und seiner Ehefrau Susanna, geb. C., in Frechen - Köln geboren. Ich wurde im katholischen Bekenntnis erzogen.

Von Ostern 1939 bis Herbst 1941 besuchte ich die Volksschule in Frechen.

Von Herbst 1941 bis Herbst 1942 erhielt ich in der Eifel Privatunterricht.

Von Herbst 1942 bis Herbst 1944 besuchte ich die Höhere Schule Lyzeum III in Köln-Lindenthal.

Von Oktober 1944 bis Dezember 1945 erhielt ich Privatunterricht.

Im Dezember 1945 wurde ich in die Quarta der Kaiserin-Augusta-Schule aufgenommen.

Im Herbst 1946 wurde ich in die Untertertia versetzt.

Seit Ostern 1951 bin ich in OI.

In den vier ersten Jahren meines Lebens wuchs ich als bis dahin einziges Kind meiner Eltern fast nur unter Erwachsenen auf. Ich beobachtete, wie sie sich bewegten, wie sie sich unterhielten; besonders interessierten mich ihre Arbeiten. Während ich an den Pflichten meiner Mutter weniger Gefallen fand, fesselte der Beruf meines Vaters meine ganze Aufmerksamkeit. Obwohl es mir ausdrücklich verboten war, die Praxisräume zu betreten, setzte ich mich oft über dieses Gebot hinweg und schaute meinem Vater beim Verbinden und Untersuchen zu. So stürmte vieles auf mich ein, was eigentlich über mein kindliches Verständnis hinausging, und unsere zahlreichen Bekannten und Verwandten hielten mich daher für altklug. Spielzeuge bedeuteten mir wenig, lieber ging ich auf Entdeckungsreisen aus; am liebsten aber spielte ich Arzt mit den Puppen und meinem Hund, der mich überall hinbegleitete und nicht von meiner Seite wich. Er war mein bester Kamerad. Die Ankunft eines Schwesterchens empfand ich zuerst als höchst überflüssig und unbequem. Bald aber gewann ich es so lieb, daß ich es nicht mehr missen mochte. Mit dem Eintritt in die Schule war der Tag voll ausgefüllt. Die größte Freude machten mir das Lesen und der Handarbeitsunterricht. Mit dem Schulbesuch wurde mein Lebenskreis vor allem dadurch erweitert, daß ich Freundinnen gewann, mit denen ich zum Teil heute noch in Verbindung stehe. Im Kriege flüchteten wir vor den Bombenangriffen in die Eifel. Tief im Wald, im Jagdhaus meines Großvaters, fanden mein Schwesterchen und ich Zuflucht. Ich erhielt dort durch eine Hauslehrerin Privatunterricht. Hier eröffnete sich mir eine neue Welt. Der viele Aufenthalt im Wald zählt mit zu meinen schönsten Erlebnissen. Eine herzliche Zuneigung empfand ich zu unserem alten Förster, der mir auf gemeinsamen Spaziergängen von den Tieren des Waldes und seinen Erfahrungen auf der Jagd erzählte. Er lehrte mich, die Natur richtig sehen. Dadurch erwachten in mir immer mehr Liebe und Verständnis für die Tiere des Waldes. Ich durfte den Förster auf vielen seiner Pirschgänge begleiten; diese Zeit bedeutet für mich so viel, daß ich sie nicht aus meiner Entwicklung fortdenken kann. - Früher als mir lieb war kehrten wir nach Hause zurück; ich mußte mich auf die Aufnahmeprüfung für die Oberschule vorbereiten. Nach zweieinhalbjähriger Schulzeit kam der Zusammenbruch. Diese an sich so harte Zeit hat mich nicht so wesentlich beeinflußt, weil wir das Glück hatten, daß unser Vater nicht zum Militär eingezogen wurde und unser Haus von Bomben verschont blieb. Im Dezember 1945 begann für mich endlich wieder der regelmäßige Unterricht. Als die Währungsreform kam, war ich in Untersekunda; ich sah die Sorgen der Eltern und dachte an die vielen Studenten, die nach ihrem langen Studium sich oft vergebens um ein Weiterkommen bemühten. Ich kam so auf den Gedanken, die Schule mit Obersekundareife zu verlassen, um einen praktischen Beruf zu ergreifen. Meine Eltern jedoch waren sehr dagegen, und bald sah ich ein, daß sie recht hatten. Das Lernen machte mir in der folgenden Zeit große Freude. Mir wurde klar, daß alles in den unteren Klassen erworbene Wissen Rüstzeug für die Oberstufe darstellt. Natürlich hegte ich für einzelne Fächer besondere Vorliebe. Die Naturwissenschaften bevorzugte ich, da sie mir im Hinblick auf meinen späteren Beruf besonders wichtig erschienen. Der Sinn für Kunst wurde in mir geweckt durch Besuch von Ausstellungen und durch Besichtigungen, die uns im Zusammenhang mit dem Kunstunterricht vermittelt wurden. Im Deutschunterricht lernte ich die Meisterwerke unserer Klassiker kennen und lieben, und wir diskutierten über weltanschauliche Fragen im Anschluß an die Lektüre moderner Dichter; diese Stunden waren mir besonders lieb. - Weihnachten 1948 begannen für unseren Familienkreis schwere Wochen; mein Vater zog sich eine tückische Krankheit zu. Wochenlang schwebte er zwischen Leben und Tod. Durch eine glückliche Operation trat endlich eine Besserung ein. Diese ganze Zeit, unter der vor allem auch meine Mutter schwer gelitten hat, hat mich um vieles ernster und reifer gemacht. Jetzt erst verstand ich ganz die Ansicht meines Vaters, daß auch eine Frau einen Beruf haben muß, der sie erfüllt und den sie mit Freuden ausüben kann. Ich faßte also den festen Entschluß, Ärztin zu werden. Zwar hatte ich es mir als Kind schon immer gewünscht, meinem Vater später helfen zu können. Doch das lange Studium und die besondere Aussichtslosigkeit dieses Berufes hatte eine Zeitlang mich abzuschrecken vermocht. Jetzt aber gibt es für mich keinen Zweifel mehr; ich werde alles daransetzen, mein Ziel zu erreichen. Ich hoffe bestimmt, die mir gestellte Aufgabe erfüllen zu können.