KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1932

1.) Weshalb kann ich trotz Ung[.?.] der Verhältnisse aufrechten Hauptes der Zukunft entgegenschreiten?

2.) Die Blinden von Kagoll (Robert Neumann). Die Novelle ist zu lesen und zu besprechen. (Reclam 7013)

3.) Folgende Gedichte sollen auf ihren Gehalt und ihre Art geprüft werden:
An den Mond (Goethe), Sehnsucht (Eichendorff), Der Pavillon (Rilke), Im Frühjahr (Th. Däubler).

4.) Aus meinen Reisen (Wanderungen): Eine Landschaft oder eine Stadt mit Bauten, Plätzen u. vergl.


Beurteilung

G., Josepha

Josepha G. stammt aus einer Beamtenfamilie, aus der sie geistige Anregung mitbringt. Von ihren vielen Geschwistern gingen ihr schon mehrere im Studium voraus. Sie ist ein sachlich denkender Mensch, bei dem die Phantasie wenig mitschwingt, wogegen die logische Seite sehr gut entwickelt ist. Ihre Erfolge liegen daher vorwiegend auf dem Gebiete der Mathematik und des Lateinischen. Die Gabe der guten Beobachtung und des treffenden Urteils möchte sie in ihrem Studium (Rechtswissenschaft) verwerten.

Sie hat sich im Laufe der Zeit vorteilhaft entwickelt. Während sie früher vorschnell und unbeherrscht sein konnte, hat sie sich in der Prima zu größerer Beherrschtheit gefunden, was übrig blieb, ist Offenheit und Wahrheitsliebe. Ein gewisser Grad von Unbeständigkeit und Gleichgültigkeit der Pflicht gegenüber haftet ihr noch heute an: Unpünktlichkeit ist eine Eigenschaft, die sie bis zuletzt nicht abgelegt hat.

Lebenslauf

Am 18. Juli 1913 wurde ich in Köln geboren. 2 Jahre lang besuchte ich die Volksschule in Köln-Bayenthal und kam dann nach der dritten Volksschulklasse in die 7. Klasse der Kaiserin-Augusta Schule, nachdem ich von Ostern des Pfingsten Privatunterricht hatte. In der 4. Klasse stand ich vor der Entscheidung, ob ich das Abitur machen wollte, da meine Eltern ganz gerne sahen, daß ich später studierte und mir das Lernen auch nicht sonderlich schwer fiel, kam ich auf die Untertertia des Realgymnasiums. Als nach Untersekunda unsere Klasse sich stark verkleinerte, schlossen wir Mitschülerinnen uns fester zusammen, besonders da wir in der Wesensart alle nicht so verschieden waren. Ich habe mich daher immer sehr wohl gefühlt in meiner Klasse, und das wird auch dazu beitragen, mir die Schule in guter Erinnerung zu halten.

Von den Unterrichtsfächern lag mir am meisten Mathematik. Auf Grund dieser Liebe zu dem klar Sachlichen, das ja besonders in der Mathematik zum Ausdruck kommt, habe ich auch als Studium Jura gewählt. Ich möchte Jugendrichterin werden, denn ich glaube, daß dieser Beruf sehr fraulich und auch ideal ist, da man vielen jungen Menschen helfen kann, indem man sucht, sie zu verstehen.

Außer den pflichtmäßigen Arbeiten wünsche ich, eine schriftliche Arbeit in Latein zu machen. Mein Wahlfach ist Mathematik.

Ich bitte, mein Religionsbekenntnis auf dem Zeugnis zu vermerken.