KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs A

1.) Erinnerung an ...

2.) Wie verwirklicht Michael in Wiecherts „Hirtennovelle“ das Wort Carossas „Im engsten Kreise wag’s, dich reich zu leben“?

3.) Nicht der ist auf der Welt verwaist,
dem Vater und Mutter gestorben,
sondern wer für Herz und Geist
keine Lieb’ und kein Wissen erworben.
(Rückert)


Lebenslauf

Am 21. März 1928 wurde ich in Köln geboren als einziges Kind meiner Eltern, des Kaufmanns Heinz Georg L. und seiner Ehefrau Christine, geborene R.. Ich bin evangelisch getauft. Im Elternhause verlebte ich eine sonnige Jugend. Als ich noch klein war, wurde ich „Träumerle" genannt, weil ich in der Welt der Märchen lebte, die ich mir wieder und wieder erzählen ließ. Seitdem ich lesen konnte, war Lesen meine Leidenschaft. Irgend ein Buch konnte mich wochenlang in Gedanken und im Spiel beschäftigen. Nach vier Grundschuljahren kam ich auf die Kaiserin Augusta-Schule. Dort wurde ich erst einmal gründlich wachgerüttelt. Mit meiner Träumerei kam ich weder im Unterricht noch bei den recht lebhaften Klassenkameradinnen an. Das machte mich scheu und sehr still. Deutsch wurde bald mein Lieblingsfach. Die Erzählungen in unseren Lesebüchern und die Aufsätze, in denen wir unserer Phantasie freien Lauf lassen durften, liebte ich sehr. Als ich heranwuchs, nahmen meine Eltern mich häufig mit auf Reisen. Wir fuhren mehrere Jahre hintereinander an die See, und ich gewann eine große Vorliebe für das Meer. Die kleinen Fischerdörfer, deren Bewohner nach alter Tradition lebten, fesselten mich. Auf Reisen ins Gebirge sammelte ich gern seltene Alpenpflanzen. Ebenso herrlich wie diese Ferienreisen waren für mich die Schulausflüge, die uns Mädels einander näher brachten. Da ich keine Geschwister habe, war mir das frohe Zusammensein und das gemeinsame Spielen und Wandern mit Kameradinnen eine besondere Freude. Natürlich hat mir der Umgang mit ihnen sicherlich auch geholfen, kleine Fehler abzulegen; denn die Kameradinnen waren kritisch. Ein zweites Unterrichtsfach begann mich stark zu interessieren: Geschichte. Aber das Lernen der Geschichtszahlen machte mir Kummer. Im Kriege war ich, wie meine Klassenkameradinnen, einige Zeit als Briefträgerin tätig. Ich lernte die äusserste Genauigkeit in der Arbeit eines Postamtes kennen. Zum ersten Male arbeitete ich praktisch im Dienste der Allgemeinheit, was eine rechte Befriedigung in mir auslöste. Nachdem ich das „Einjährige" hatte, kam eine schlimme Wendung in mein Leben; nach einer harmlos erscheinenden Kinderkrankheit blieb ein Herzleiden zurück. Dadurch zerriß der Zusammenhang mit meiner Klasse jäh, den Kontakt mit meinen Lehrern, die mir die ganzen Jahre meiner Entwicklung nahe gestanden hatten, verlor ich für lange Zeit. Die Ärzte verbannten mich auf viele Monate ins Bett. Meine besorgte Mutter brachte mich zum Schutze vor den Bombenangriffen nach Herchen a.d. Sieg zu meinen Großeltern. Mein Vater war um diese Zeit noch Soldat geworden. So verlebte ich langweilige Monate fern von allem, was mir lieb war und womit ich mich gern geschäftigt hatte. Selbst privater Unterricht war mir verboten. Jede Lektüre, die mich anstrengte oder aufregte, mußte ich meiden. Der Gedanke der Schulversäumnis bedrückte mich; denn ich wollte um jeden Preis mein Abitur zusammen mit meinen früheren Klassenkameradinnen machen. Der Not gehorchend, beschäftigte ich mich während meiner Krankheit viel mit Zeichnen und Malen, was ich früher neben der Schularbeit immer gern getan hatte und wofür ich eine gute Begabung habe. Das Schicksal war uns gut: unser Haus blieb erhalten und mein Vater kam aus russischer Gefangenschaft zurück. Nach anderthalb Jahren war ich wieder soweit hergestellt, daß ich Privatunterricht nehmen durfte, und Ostern 1946 konnte ich zu meiner großen Freude wieder in die Kaiserin Augusta-Schule eintreten. Unter der zielbewußten Leitung meiner Lehrer arbeitete ich eifrig mit meinen alten Klassenkameradinnen. Gleich den Mitschülerinnen sah ich den Unterricht nicht mehr als Zwang an, wie es in jugendlicher Unvernunft in früheren Jahren oft geschehen war. Rückblickend erkenne ich, wie sehr die Schulzeit angetan ist, dem jungen Menschen zu vermitteln, wessen er bedarf, um sein Leben nutzbringend zu gestalten, und ich danke meinen Lehrern für alle Führung und Formung, die sie mir angedeihen liessen. Ostern 1947 hoffe ich die Reifeprüfung zu bestehen, um Germanistik studieren zu können.