KAS (Köln)

Gesamtbeurteilung der Klasse

Gutachten über Klasse OI a:

Die Klasse OIa, die jetzt noch 15 Schülerinnen hat, wurde Ostern 1946 als OIIa neu zusammengestellt.

Die Schülerinnen, die aus recht verschiedenen Schulen kamen, brachten sehr verschiedene Vorbildung mit. Nur sehr langsam haben sie sich zu einer geschlossenen Gemeinschaft zusammengefunden. Alle 15 Oberprimanerinnen sind ausnahmslos wertvolle junge Menschen, die zielstrebig an ihrer Charakterbildung arbeiteten und immer starkes Interesse für alle menschlichen und philosophischen Probleme zeigten.

Im Unterricht arbeitete die Klasse ruhig, aber mit gleichbleibendem Fleiss. Bei vielen guten Durchschnittsbegabungen kann die Klasse aber die Leistungen nicht aufweisen, die wir von einer Oberprima nach achtjährigem Besuch einer höheren Schule erwarten, da einerseits immer wieder Lücken der Mittelstufe, die in den langen Kriegsjahren entstanden, auszufüllen waren; anderseits die unzureichende Ernährung, die weiten Schulwege, die beengten Wohnungsverhältnisse, häusliche Pflichten und der Büchermangel nicht volle Leistungsfähigkeit zuliessen.


Beurteilung

Maria W. ist ein feiner, innerlicher Mensch von bescheidenem Auftreten und guten Umgangsformen. Der weite Schulweg hat im Verein mit der schlechten Ernährung ihr die Schularbeit sehr erschwert. Trotz dieser Belastung hat sie aber mit Mühe und Sorgfalt bei guter Durchschnittsbegabung an der Erreichung ihres Schulzieles gearbeitet. Ihre besonderen Interessen gehören der Musik, die sie mit guter Begabung und feinem Einfühlungsvermögen pflegt.

Lebenslauf

Am 21. März 1928 wurde ich als Kind der Eheleute Josef W. und seiner Gattin Maria W. in dem Kreisstädtchen Bergheim an der Erft geboren. Meine fünf älteren Geschwister nahmen ihr kleines Schwesterchen, das einzige Kind aus der zweiten Ehe meines Vaters, mit viel Freude auf, obwohl mein ältester Bruder siebzehn und meine ältere Schwester fünfzehn Jahre alt waren. Mit rührender Liebe umsorgte mich diese Schwester, die als Stütze der Mutter zu Hause war. Sie vertrat gleichsam an mir die Stelle meiner Mutter, da meine jüngste Schwester, stets kränklich, der sorglichsten Pflege bedurfte. Als ich zwei Jahre alt war, wurde ich in den Kindergarten aufgenommen, der von einer Ordensschwester geleitet wurde. Vier Jahre lang gehörte ich mit zu den anhänglichsten Besuchern unserer lieben „Verwahrschulschwester". Hier lernten die kleinen Hände aus Knetgummi Tiergestalten und Püppchen formen. Aber nicht nur das Formen und Gestalten wurde angeregt; vielmehr ist mir in Erinnerung, wieviele Liedchen, Spiele und Reigen uns gelehrt wurden. Mir fiel stets bei kleinen Festlichkeiten die Aufgabe zu, Gedichte vorzutragen. Mit Leichtigkeit und Feuereifer lernte ich die Verse, welche die Schwester mir vorsprach. Und noch eine besondere Aufgabe bekam ich später, das heisst, ich habe sie mir wie selbstverständlich angeeignet: die Betreuung meiner jüngeren Spielgefährten und Spielgefährtinnen. Je älter ich wurde, desto grösser wurde in mir der Drang, umsorgen und bemuttern zu müssen. Dazu, so glaubte ich, gehöre auch eine Schürze, so wie alle Mütter sie tragen, und nie, soweit ich mich erinnern kann, konnte man mich dazu bewegen, ohne Schürze in den Kindergarten zu gehen.

Die schönste Zeit meiner Kindheit waren die Jahre vom 6. bis zum 8. Lebensjahr. Ich sehe noch deutlich unser trauliches Zimmerchen vor mir, indem ich mit meinen Geschwistern so manch schöne Stunde verlebt habe. Erst später, als meine Geschwister heirateten, konnte ich ermessen, wie schön es ist, mehrere Geschwister zu besitzen, besonders, da ich als Nesthäkchen vor allen verwöhnt und umsorgt wurde. Allabendlich versammelten sich bei uns sämtliche Freunde und Freundinnen meiner Brüder und Schwestern. In fröhlicher Runde wurde an langen Winterabenden im gemütlich warmen Zimmer musiziert und gesungen, oder es wurden Gesellschaftsspiele aller Art gespielt, die in der Weihnachtszeit um Nüsse und Printen gingen. Mit meiner gleichaltrigen Freundin durfte ich all diesem zuschauen, und manchmal kam mir der sehnliche Wunsch, auch schon so alt zu sein und mitmachen zu dürfen. Dann dünkte es mich das größte Glück, wenn mein jüngerer Bruder, der 13 Jahre älter ist als ich, mich auf seinen Schoss hob und mich mit seiner tiefen, warmen Stimme tröstete. Ich hatte ihn sehr lieb, den großen nachdenklichen Bruder, der alles konnte und gegen alle freundlich und hilfsbereit war. (Jetzt ist er schon vier Jahre vermisst.) Im Sommer wurden gemeinsame Spaziergänge unternommen, an denen auch meine Eltern teilnahmen. Im Freien wurde dann der mitgenommene Kuchen unter Plaudern und Scherzen verzehrt. Unvergesslich sind mir auch die Musikabende, die in gewissen Zeitabständen in unserem Haus stattfanden, zu denen alle Bekannten und Freunde eingeladen wurden. Stets wurden sie eröffnet mit einem Klaviervortrag meines Vaters, der von Beruf Organist und Musiklehrer ist; meine Schwester begleitete ihn mit der Geige dazu.

Den größten Schmerz meiner Kindheit erlebte ich in dem Jahr, als wir unser liebes großes Haus verliessen und einen kleinen Neubau in demselben Ort bezogen. Ich konnte es nicht fassen, nicht mehr in dem kleinen traulichen Zimmerchen spielen zu können, den großen Garten mit der weiten Wiese und dem weinumrankten Läubchen, sowie den von einer großen Linde beschatteten Hof verlassen zu müssen. In diesem Jahr heirateten meine beiden ältesten Geschwister. Ich glaubte, mein Herz müsse brechen, als meine geliebte Schwester, die mich bis dahin behütet und erzogen hatte, das Haus verliess. Auch meine übrigen Geschwister verliessen für einige Jahre das Elternhaus, sodass ich allein zurückblieb. Es fiel mir unsäglich schwer, das jetzt so ruhige Leben zu ertragen. Auch heute kann ich noch sagen, dass ich keine schönere Zeit verlebt habe als die, da meine jetzt schon verheirateten Geschwister nur ganz meinen Eltern und mir gehörten. Im folgenden Jahr, kurz nach meiner Erstkommunion, befiel mich eine ernste Krankheit. Mit Bauchhöhlenvereiterung wurde ich ins Krankenhaus eingeliefert. Sechs Wochen lang lernte ich die aufopfernde Pflege der Krankenschwestern und die selbstlose Hilfe des Arztes kennen und lieben, und es keimte in mir der Wunsch, auch mithelfen zu dürfen im Dienste der Kranken.

Ostern 1934 wurde ich in die Höhere Mädchenschule in Horrem, wo auch mein Elternhaus steht, aufgenommen. Hier inmitten eines kleinen Waldes lernten wir das Leben und die Schönheiten der Natur lieben. Im Sommer wurde meist im Freien unterrichtet, entweder in einer kleinen Lichtung, von niedrigem Gesträuch umgeben, oder auf einer Anhöhe, die uns Aussicht auf den vor uns liegenden Ort bot. 1944 machte ich in dieser Schule die Prüfung der Mittleren Reife, die ich mit „gut" bestand. Noch ehe wir von der Schule entlassen wurden, erfasste das Arbeitsamt sämtliche Schülerinnen unserer Klasse. Eine Berufsberaterin erkundigte sich nach unseren Zukunftsplänen und wies uns den Weg, den wir zu gehen hatten, um den erwünschten Beruf erreichen zu können. Mein Wunsch war immer, Krankenpflegerin zu werden. Da aber vom 14. bis 16. Lebensjahr mein Gesundheitszustand sehr schlecht war, rieten mir meine Lehrerinnen, wie auch meine Eltern, von dem opfervollen, anstrengenden Beruf ab. So entschloss ich mich, die Laufbahn der medizinisch-technischen Assistentin einzuschlagen. Da Chemie und Biologie zu meinen Lieblingsfächern gehörten und mit diesem Beruf in enger Beziehung stehen, durfte ich annehmen, dass ich in diesem Beruf auch Befriedigung fände. Die Fachschulen jedoch nahmen nur Schülerinnen mit dem vollendeten 18. Lebensjahr auf, was jedoch meinen Entschluss nicht änderte. So war ich gezwungen, in der nächstfolgenden Zeit Kriegsdienst zu leisten. Ich meldete mich freiwillig zum Hilfsdienst in einem Krankenhaus, da ich hoffte, mich in der Krankenpflege betätigen zu können. Meine Hoffnung jedoch wurde bitter enttäuscht, denn man zog mich ausschließlich zu Botengängen, Küchendienst und Saubermachen heran. Ich fühlte mich in dieser Zeit sehr unglücklich; ich fand nicht die erwartete Aufgabe und fühlte mich überall überflüssig. Eine ernstliche Krankheit meiner Mutter verlangte dringend, dass ich zu ihrer Pflege und zur Verrichtung des Hauswesens ins Elternhaus zurückkehrte. Überglücklich nahm ich diese Aufgabe an, denn nun hatte ich ein eigenes Wirkungsfeld und konnte zeigen, dass ich imstande war, trotz meiner Jugend etwas zu leisten.

Im November 1944 entschloss sich meine Mutter schweren Herzens, sich mit meiner Schwester, die durch das ständige Bunkerleben täglich schwächer wurde, evakuieren zu lassen. Da mein Vater unser Heim und seinen Dienst als Organist nicht verlassen wollte, blieb ich bei ihm in Horrem. Nie vergesse ich den Abend, an dem wir unsere Lieben zum Bahnhof begleiteten, nie vergesse ich den Abschied, der so tief empfinden liess, wie innig wir miteinander verbunden sind. Wie schonungslos zerstörte der Krieg so manch trautes Familienleben! Unaussprechlich war das Glück, als nach 3 Wochen meine Mutter von Unruhe und Sorge getrieben nach Hause zurückkehrte, nachdem sie meine Schwester bei Bekannten untergebracht hatte. So erlebte ich gemeinsam mit meinen Eltern die Schrecken des letzten Kriegsjahres und den Einmarsch der amerikanischen Truppen.

Im Oktober 1945 setzte ich mein Studium unter Anleitung akademischer Lehrkräfte in allen Fächern fort, denn meine Tätigkeit im Elternhaus konnte mich nicht mehr befriedigen. Meine Aussichten auf den Beruf der med.-technischen Assistentin waren nur noch sehr gering; die wenigen Fachschulen in unserem Umkreis waren bis auf weiteres geschlossen. Da ich schon immer gerne und gut mit Kindern umging, entschloss ich mich, die pädagogische Akademie zu besuchen, um Lehrerin zu werden. Leider war ich die jüngste von tausend Bewerbern an der Bonner Akademie, sodass ich zurücktreten musste. Da es nach den neuesten Bestimmungen nicht mehr möglich ist, ohne Reifezeugnis die Akademie zu besuchen, entschloss ich mich, dieses zu erwerben, um mein Ziel erreichen zu können. So bin ich seit 1946 Schülerin der Kaiserin Augusta Schule.

Da Englisch immer zu meinen Lieblingsfächern gehörte, bitte ich, eine englische Prüfungsarbeit schreiben zu dürfen.