KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs B

1.) Alles, was uns begegnet, läßt Spuren zurück, alles trägt unmerklich zu unserer Bildung bei. (Goethe) (Nach eigenen Erlebnissen)

2.) Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern. (Vorgelegt wird: 1.) Ein sibirisches Märchen: Das Fisch-Mädchen, 2.) ein deutsches Märchen: Die Sterntaler, 3) ein französisches Märchen: Cendrillon.

3.) Vergleich zweier Mutterbildnisse: (Christoph Amberger: Margarete Welser. Hans Thoma: Bildnis der Mutter des Künstlers)


Lebenslauf

Als Tochter des Kaufmanns Richard N und seiner Ehefrau Katharina N., geborene M., wurde ich am 5.3.1928 in Köln geboren; ich bin das einzige Kind meiner Eltern. Nachdem ich die Grundschule 4 Jahre besuchte, war ich nach einmaligem Schulwechsel bis Anfang Unterprima des Jahres 1937 Schülerin der Oberschule für Mädchen in der Antoniterstr., Köln. - Durch die höhere Schule hofften mir meine Eltern eine gute Allgemeinbildung für mein späteres Leben geben zu können. Ich sollte einmal den kaufmännischen Beruf erlernen, um in dem Fach meines Vaters zu arbeiten. Zunächst wußte ich jedoch noch nichts von den Plänen meiner Eltern und erfuhr sie erst im Laufe meiner Schulzeit. - In meiner Kindheit ließ man mir sehr viel Freiheit, und ich war fast immer mir selbst überlassen. Ich fühlte mich lange sehr wohl dabei und wurde mir später erst darüber klar, daß eine stärkere Leitung besser für mich gewesen wäre. - Einen großen Einfluß übte von meinem 15. Lebensjahre an ein Kreis junger Menschen auf mich aus, der unter der Leitung einer künstlerisch begabten Gemeindeschwester stand. In dieser Gemeinschaft spürte man etwas von einem herzlichen und freundschaftlichen Begegnen. Der echte Frohsinn fing an, meine Jugendtage zu durchsonnen. Wir machten manche Wanderungen und Ferienfahrten. - Unser „Häuserl" wurde uns zu klein, wir mußten Wandervögel sein. - Es waren unvergeßliche Stunden der Gemeinschaft und des inneren Friedens. Alles, was ich später erlebte, hat den Reichtum dieser Stunden nie mehr erreicht. Ihnen verdanke ich meine Freude an Musik und Gesang, die ich nun so gerne an andere junge Menschenkinder weitergeben möchte. - In jener Zeit bedrängte ich meine Eltern, mir Gelegenheit zu geben, ein Instrument zu erlernen, und da meine Großeltern im Besitz eines Klavieres waren, wurde damals ihr Instrument zu uns herübergebracht. Es ist mir bis heute ein tröstlicher Helfer geblieben. - Doch bald mußte ich auf das fröhliche Spiel und die Kameradschaft der jungen Menschen verzichten, da ich schwer erkrankte; auch ein weiterer Schulbesuch wurde dadurch unmöglich gemacht, und ich habe der Schule sehr nachgetrauert. - Ich genas nur langsam. Ein ganzes Jahr ging darüber hin, und viele Jahre sind noch bis zu meinem neuen Schulbesuch hingegangen, aber ich habe den Glauben, die Reifeprüfung zu erreichen, nicht aufgegeben und halte daran fest: lieber ein halbes als ein ganzes verlorenes Leben. Nach meiner Genesung hielten es meine Eltern für richtiger, daß ich mich nach einer sicheren Existenzmöglichkeit umsah, und so wurde ich gleichsam in den kaufmännischen Beruf hineingedrängt. Ich ging den Weg, den ich gehen mußte. - Der Krieg war gerade angebrochen, als ich anfing, mich für den kaufmännischen Beruf auf einer privaten Handelsschule vorzubereiten. Ich war unglücklich in dieser Zeit, denn der Saldo mußte immer fein stimmen, doch nach meiner „Stimmung" wurde nicht gefragt.

Als meine Ausbildungszeit beendet war, bewarb ich mich bei der Firma Johann Maria Farina & Co. in Köln um eine Stelle als Kontoristin. Ich wurde eingestellt und hatte im Laufe meiner vierjährigen Tätigkeit Gelegenheit, in der Verkaufs- und Auslandsabteilung sowie in der Buchhaltung zu arbeiten. Aber trotz der hin und wieder eintretenden Abwechslung sehnte ich mich nach einer Aufgabe, an der ich mein ganzes Leben bauen könnte. Ich wollte die Beschäftigung mit toten Zahlen nicht mehr und entschloß mich in den Erschütterungen des Luftkrieges, die kaufmännische Laufbahn aufzugeben. Da entschied das Schicksal über meinen weiteren Weg. - Im April 1944 wurde unsere Firma vollständig zerstört. Durch Bemühungen meines ehemaligen Lehrers wurde mir ein Auslandseinsatz als Marinehelferin vermittelt, und ich griff zu, um meine Einberufung in ein Rüstungswerk zu vermeiden. Ich wurde nach Brügge in Belgien abkommandiert, fand jedoch gleich bei meinem Eintreffen meine Dienststelle zerstört vor. Ich schloß mich dann den andern Mädels an. Die Lage war sehr kritisch geworden, und in 5 Tagen ertönte schon das Alarmsignal, das die Invasion verkündete. Jetzt wurde ich wie die meisten Wehrmachthelferinnen von einem Einsatz zum andern kommandiert und langte schließlich, durch Tiefflieger in immer neue Schrecken gejagt, in Thüringen an, wo ich meine Eltern bei meiner Freundin erwartete. Es war jedoch noch keine Nachricht von ihnen eingetroffen, und 3 Wochen später war jegliche Zugverbindung unterbrochen, so daß ich meine Eltern im Westen allein ihrem Schicksal überlassen mußte. Das war ein banges und schweres Warten. - Als nach mehrtägiger Beschießung unser Städtchen von den Amerikanern eingenommen wurde, versuchte ich, sofort nach Hause zu gelangen; und nach schwierigen Fußwanderungen erreichte ich schließlich die Heimat, da die Sehnsucht die müden Füße immer weitertrieb. - Endlich kam die Stunde des Wiedersehens, und ich erlebte nun, daß man mich verstand. Es gab keine Bedenken mehr, meine Wünsche wurden mir erfüllt. - Ich kannte meinen Weg, und eines Tages ging ich wieder zur Schule.

Anfang November 1945 trat ich in die 7. Klasse der Hildegardisschule ein und wurde hier Pfingsten 1946 in den Sonderkursus versetzt. Da eine Trennung zwischen lateinischem und französischen Unterricht nicht vorgenommen wurde, sondern nur Latein auf dem Plan blieb, trat ich in die Kaiserin-Augusta-Schule über, um hier am französischen Unterricht teilzunehmen, da mir diese Sprache nach der langjährigen Unterbrechung des Unterrichts noch geläufiger war. - Mit einem Male aber wurde mir bewußt, was ich in der vor mir liegenden kurzen Zeit noch alles erlernen mußte; denn wir hatten durch nur halbwöchentlichen Unterricht viel versäumt, und das mußte ich neben den laufenden Arbeiten nachholen. Es kam dann noch dazu, daß jetzt endlich in meinen Aufsätzen die inhaltlichen und sprachlichen Mängel hervortraten. Die verborgene Sprachform des Geschäftsverkehrs mag für die formalen Schwächen mit verantwortlich sein; und die inhaltlichen Entgleisungen beruhen darauf, daß ich mir in der Phantasie eine Welt aufbaute, die mir keiner zurechtrücken half. Gedanken und Fragen habe ich mir immer selbst beantwortet, da sie mir ungelöst keine Ruhe ließen. - Ich hätte nun am liebsten ausschließlich für den Deutsch-Unterricht gearbeitet, aber ich mußte meine bescheidenen Kräfte auf die verschiedenen Arbeitsgebiete verteilen, und so ist es mir trotz aller redlichen Mühe nicht mehr gelungen, befriedigende Leistungen im Aufsatz zu erzielen. Ich bin überzeugt, daß der Unterricht auf der Musikhochschule, die ich nun besuchen möchte, mich auf den durch die letzte Schulzeit erkannten richtigen Bahnen weiterführen wird. - Ich habe mich für das Studium der Schulmusik entschlossen und hoffe, eine schöne Aufgabe an jungen Menschen erfüllen und dabei tief in die reinste Kunst eindringen zu können; denn in ihr offenbart sich menschliche Größe, die sonst untergegangen zu sein scheint. Zu dieser Aufgabe fühle ich mich wirklich berufen.

Abituraufsatz

Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern (Vorgelegt sind: Ein sibirisches Märchen - ein französisches Märchen - und ein deutsches Märchen)

A. Einleitung Inhaltsangabe fehlt._

B. Ausführung:

Die Umschreibung des Th.s ist verwaschen und unklar, also leiden[?] die Ausführungen - im Stoff.Der Wesenszug des Märchens und die bei den Völkern zum Vorschein kommende eigne Gestaltungsweise:

I. In dem sibirischen Märchen

II. In dem französischen Märchen

III. In dem deutschen Märchen.

!?C. Schluß: Das Gute ist das unzertrennliche Band in der Völkergemeinschaft.

A. Es ist etwas Wohltuendes, daß trotz der völkischen Verschiedenheit ein Daß dies gemeinsame Band die Kunst ist, kann man nur ahnen.gemeinsames Band da ist, welches Trennendes verbindet und jedem etwas geschenkt werden kann , indem er sich ohne ?Zwang der leichten Muße hingibt und dabei doch eine innere Bereicherung erfährt, die dem Menschen unbewußt einen Sinn für das Wahre und Echte im Leben erschließt. Verborgen ruht Bez.es oft in einem Herzen und wird manchmal erst durch Betrachten eines schönen Gegenstandes, durch Lesen eines schönen Buches oder durch Töne geweckt; denn es geschieht auf keinem Wege leichter und zwangloser als durch die Kunst. Ein persönliches und allgemeines Gefühl kann sich darin ausdrücken. Darum gehört auch das Märchen dazu, da es auch ein Stück Kunst und damit überzeitlich und nicht zweckgebunden ist. Wortreiche, sinnlose Abschweifung!Wir unterscheiden das Kunst- und Volksmärchen. Ich bin geneigt, auch das letztere eine Kunst zu nennen, da gerade oft durch den Volksmund unbewußt Wahrheiten und StilSchönes in seiner Einfachheit ausgesprochen wird, die durch den Klang und tiefen Sinn künstlerisch wirken können. Bei solcher Wirkung muß es unfehlbar allen sich nach etwas Schönem und Edlem sehnenden Menschen aller Völker Satzbau!etwas zu sagen haben, da der gute Kern, der in dem unbewußten Schenken und OSich-Hingeben an eine gute Sache in den Herzen aller hilfsbereiten Geister ruht sich ohne Zutun des Wollens wie eine gesunde Frucht entfalten kann. [Rest des Absatzes:] Dunkel ist der Rede SinnGerade das , was den Völkern zur Überheblichkeit Anlaß geben könnte, ihre Weltklugheit wett zu machen, wird im Märchen vor einem einfachen, guten Menschenkind gedemütigt, da dieses das in die Tat umsetzt, worüber klug und weise dünkende Menschen nur nutzlose Worte verlieren.

[Ganzer Rest=] Th. ?I. Worüber?Hierüber wollen uns 3 Märchen, jedes aus einer andern Welt, etwas Näheres sagen. Mutet es uns nicht wie ein Wunder an, daß sich sogar in Sibiriens weiten Gefilden gute, hilfsbereite Geister gefunden haben, um den Menschen, vielfach Fischer ihrem Berufe nach, in ihrer Einsamkeit und Verlassenheit zur Seite zu stehen I. Aber das ist ja gerade das Wunderbare des Märchens, daß alle Wunder möglich sind. (-) ? überflüssigEs tut darum den einsamen Fischerknaben in der Weite und Abgeschlossenheit seines sibirischen Daseins gut, wenn er ein Märchenbuch aufschlagen kann und eine edle, liebe Seele daraus zu ihm spricht. Der gute Geist, in der Gestalt eines Fischermädchens, ist gerade einem Menschen an Sibiriens Küste besonders verständlich. Wir können uns den Fischer vorstellen, der tagaus, tagein nur mit geringem A.Ertrag , sich das Lebensnotwendige verschafft. Wie glücklich muß darum der im Märchen erwähnte Fischer sein, als ihm für lange Zeit diese saure Mühe erspart T ist verdächtig.wurde und Nahrung und Ordnung in seinem Hauswesen durch das gute Fischermädchen vorhanden war. Der glückliche Zustand aber währte nicht lange, da die Neugierde des Fischers Befriedigung suchte und dadurch das dem Wesen aller guten Geister Gemeinsame zum Ausdruck kommt, daß sie nur unbeachtet Gutes wirken. Insofern A.trifft auch dieses Märchen das Wesenhafte . nicht nur die Sprache!Die Sprache müssen wir als nüchtern empfinden, wie sie dem Charakter des in Sibirien lebenden Volkes entspricht. Man hält sich in diesem Märchen mehr an Tatsachen, ohne die Situationen etwas auszuschmücken, obwohl das Märchenhafte damit nicht zerstört wird.

II. Auch bei der französischen A.Erzählung tritt der Charakter des Märchens wieder deutlich hervor. Das Gute siegt über das Böse. Die gehässige Stiefmutter , die das liebe u. gute Wesen ihrer Tochter verachtet, weil sie weiß, daß sie ihr in ihrer Güte niemals Gleichkommen kann, muß erleben, daß Stilsie durch ihre Herabwürdigung des Edlen, dieses nicht vernichten kann. Ja, dem verstoßenen Menschenkind wird gerade ein besseres Los zuteil, indem der Königssohn Bez.sie als seine Gemahlin heimführt, sie, die das Bessere auf Grund ihrer guten Gesinnung auch wirklich verdient hat I, und gerade durch ihre A.vergebende Haltung ihre Liebe zu allen Menschen, auch zu den Bösen, als etwas Selbstverständliches hinstellt und ? unverständlich. A.damit den Hochmut der bösen Stiefmutter u. den gleicherweise gesinnten Schwestern demütigt .

-III. A.Bei der ganzen Schilderung des Märchens spüren wir eine Leichtigkeit und Lebendigkeit, die man, glaube ich, als den Grundzug des französischen Märchens herausstellen kann; Zusammenhang?wobei die reiche Ausschmückung vor allen Dingen nicht übersehen werden darf. Die Kutsche, die Eidechsen als Lakaien, die Mäuse als Rosse, eine Ratte mit üppigem Schnurrbart - recht humorvoll - das alles belebt und wirkt zauberhaft. Vielleicht mußte auch der runde Kürbis unbedingt hinein, da es eine Lieblingsspeise der Franzosen ist.

III_ Stellen wir diesen beiden Märchen nun das deutsche Märchen gegenüber, so A.ergreift uns in seinen schlichten, aber A.tiefempfindenden Worten etwas Wehmütiges . Eine stille Bescheidenheit spricht aus der Seele des deutschen Märchens I_ und trotz aller ?Wehmut spüren wir Stiletwas von einer Lieblichkeit. Die vom Himmel fallenden Sterne, die I_ auf der Erde angekommen, sich zu Goldstücken geformt haben, versöhnen alles Leid und belohnen die gute Tat. Wieder ist es das mitleidige, gute Herz, das sein Oletztes zur Hilfe der anderen Menschen opfert, weil es auf Gott und damit auch auf eine Hilfe aus aller Not vertraut.

Die Aufgabe ist nicht verstanden, wie die abschließ. Sätze zeigen.C. Nach der Betrachtung der einzelnen Märchen auf ihre völkische Eigenart A ?und das dem Märchen Verwandte hin, können wir abschließend sagen, daß alles, was dem Märchen eigen ist, die Möglichkeit schafft, über Raum und Zeit eine Brücke zu schlagen und daß dies nur gelingen kann, weil das Gute tätig schafft, Lauter Worteohne eigne Vorteile damit zu verbinden und ohne sich von dem Bösen beirren zu lassen . Das Gute wird aus dem Gefühl heraus getan, weil es getan werden muß, damit das Band, welches alle Wesen verbindet, nicht Ozerrißen wird. So stellen sich uns die guten Gestalten des Märchens beispielhaft dar.

Seitdem die Verfasserin in ihrer Sicherheit den eigenen Leistungen im Deutschen gegenüber erschüttert wurde, ist es ihr nicht mehr möglich, in Ruhe ihre Aufgabe zu überlegen. Krampfhaft hängt sie sich an den Stoff, der die leitenden Gedanken zudeckt. Je ärmer das Verständnis, desto reicher der Wortschwall, und diesem unnatürlichen Pathos fehlt außerdem jeder schöne Klang. Der Aufsatz verrät wieder die seltsam verschobene Weltansicht der Verfasserin:

Nicht genügend.

Die Jahresleistungen lagen zwischen Genügend und Nicht genügend.

22.II.47 T. Rolff.