KAS (Köln)

Gesamtbeurteilung der Klasse 8 (Sprachen) 1942

Charakteristik der Klasse 8 spr.

In der Klasse 8 spr. sind nur 14 Schülerinnen, die alle 1939 aus der Antoniterschule in die Oberschule für Mädchen, Georgsplatz, gekommen sind. Sie stammen aus zwei verschiedenen Klassen, die auch heute noch nicht ganz in einander verschmolzen sind, da die Charaktere zu verschiedenartig sind. Immer wieder kann man zwei Parteien unterscheiden, die sich in gewissem Sinne gegenüberstehen. Dazu kommen verschiedene Anschauungen und Ansichten, in denen sie sich nicht einig sind, da noch nicht alle erkannt haben, daß man die Gesinnung des Einzelnen achten muß, einerlei ob er dieselbe hat oder eine andere.

Die Klasse selbst ist nicht schwer zu lenken, sie hört lieber auf gute Worte als auf Schelten, wenngleich es ohne das nicht immer abging. Sie ist lustig, oft ausgelassen und manchmal auch reichlich laut. Es ist eine Durchschnittsklasse, die aber doch bei größerem Fleiße, ruhigen Zeiten, ruhiger Arbeitszeit ohne Fliegeralarm und bei gutem Schlafe viel mehr hätte erreichen können.

Durchschnittlich gut geartet, machten nur wenige uns wirklichen Ärger. Viele von ihnen sind Führerinnen im BDM und verstehen sich durchzusetzen. Fast alle haben treu und freudig ihren Einsatzdienst abgeleistet.

Alle Schülerinnen der Klasse sind zum Abitur zugelassen.

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1942

[Es ist offenbar keine Aufstellung der eingereichten Aufsatzthemen überliefert. Die beiden folgenden Aufgabenstellungen wurden den Aufsätzen direkt entnommen.]

 

1.) Welches Bild mache ich mir von Königin Luise nach einer Reihe von Briefen?

2.) Welches Bild mache ich mir von Eva Lessing nach einer Reihe von Briefen?


Beurteilung

Helene H. ist aus einem ganz anderen Milieu wie ihre Klassenkameradinnen aufgewachsen. Aus ganz einfachen Verhältnissen stammend, fühlte sie sich in der Klasse fremd, etwas zurückgestoßen, wodurch sie etwas verbittert war und sich mehr und mehr abschloß. Nun hat sie das Leben besser kennen gelernt, die Mitschülerinnen sind schon urteilsfähiger und sie bekümmern sich ebenso um Helene wie um die anderen. Helene selbst ist ein charakterlich sehr wertvoller Mensch, für den das Leben im Elternhause alles bedeutete, die durch die durch[!] die Umstände hervorgebrachte Absonderung in sich reifen konnte und so selbst herausfand, daß nur „Leistung" den Menschen ausmacht. Helene ist gut durchschnittlich begabt, fleißig, beständig, gleichmäßig und höflich, liebevoll und kameradschaftlich zu ihren Mitschülerinnen. Sie lebt in ihrer eigenen Welt und freut sich über alles Schöne, was ihr geboten wird. Geschichte und Deutsch liebt sie besonders, weil sie sie vertraut machen mit der Literatur und der Geschichte unseres Volkes. Deshalb hat sie sich auch Geschichte als Wahlfach genommen. Sie war im BDM tätig und führte eine BDM-Schaft, und in den Sommerferien 1940/41 leistete sie Kriegseinsatz in der Erntehilfe.

Lebenslauf

Ich bin am 8.7.1923 in Köln als Tochter des Schwerkriegsbeschädigten Hermann H. und seiner Frau Ida geb. B. geboren. Ein Jahr später bekam ich eine Schwester, die aber bald wieder von uns ging, und drei Jahre später einen Bruder. Nachdem wir die ersten Jahre meines Lebens noch in einem linksrheinischen Kölner Vorort gewohnt hatten, zogen wir in meinem 5. Jahr nach einem weiterentlegenen rechtsrheinischen. Hier begann für uns Kinder eine schöne Zeit, denn wir hatten einen großen Garten bei unserm Haus, in dem wir uns nach Herzenslust tummeln konnten. Auch machte meine Mutter mit uns oft kleine Wanderungen.

Nach Erzählungen meiner Eltern bin ich ein scheues und zurückhaltenes Kind gewesen. Meine Mutter kümmerte sich viel um uns, so daß wir selten mit andern Kindern zusammen kamen. Daher waren für mich, bis ich in die Schule kam, Eltern und Bruder die wichtigsten Menschen. Das Elternhaus gewann für mich die größte Bedeutung, und mit meinem Bruder verband ich mich immer enger, so daß einer den andern nur ungern missen mochte. So ist es auch bis heute geblieben. Meine Eltern wollten mir diese sorgloseste Zeit möglichst verlängern, und so kam ich erst mit 6 ½ Jahren auf die evangelische Volksschule in Köln-Vingst.

Dies war ein wichtiger Abschnitt meines Lebens, denn es traten neue Menschen in meinen Gesichtskreis. Das Lernen wurde mir leicht, so daß meine Freizeit durch die Schulaufgaben, die immer vorher fertig gemacht sein mußten, nicht viel gekürzt wurde. Aber das Einleben in die Klasse fiel mir schwerer. Bald bald ich ein gleichaltriges Mädchen, mit dem ich schon durch den gemeinsamen Schulweg, den wir mit der Bahn machen mußten, näher zusammen kam. Viele schöne Nachmittage verbrachten wir in gemeinsamen Spielen. Oft und besonders zur Weihnachtszeit spielten wir Theater. Wir führten dann auf selbstausgestatteten Bühnen Märchen und Weihnachtsspiele auf. Mit Eifer suchten wir uns auch jedesmal die passenden Kostüme aus. Keiner durfte unser Reich dann betreten. Diese schöne Zeit hörte leider bald auf. Meine Eltern waren in wirtschaftliche Not geraten und mußten unser Haus verkaufen. Wir zogen in eine Mietwohnung nach Köln-Vingst. Ich meinte damals, daß Reichtum das größte Glück sei, denn ich sah, daß meine Freundin, deren Eltern wohlhabend waren, wohnen bleiben konnte, und ich wurde etwas verbittert über unser Schicksal. Meine Eltern spürten dies und halfen mir mit Güte, darüber hinwegzukommen.

Auf Anraten meiner Lehrerin ermöglichten es mir meine Eltern, eine Oberschule zu besuchen, und ich kam Ostern 1934 mit meiner Freundin zusammen auf das Lyzeum mit realgymnasialer Studienanstalt der Evgl. Gemeinde Köln in der Antoniterstraße. Zu den Enttäuschungen, die ich erlebte, denn ich war an gute Nummern[?] gewöhnt, kam noch die Erkenntnis, daß viele meiner Klassenkameradinnen auf Wohlstand sahen und mich deshalb kaum beachteten. Ich hatte eine Freistelle und mußte alles dransetzen, sie zu behalten. Bald wurde mir auch meine Freundin immer fremder. Ich zog mich nun ganz zurück von den andern und fühlte mich unsicher. Den Grund zu meinem Alleinsein suchte ich damals nur bei den andern. Als aber meine Freundin das Klassenziel nicht erreichte, erkannte ich, daß nicht Geld, sondern Leistung den Menschen ausmacht, und gewann mehr Sicherheit. Ich ging gern in die Schule und war dankbar, daß ich hingehen durfte. Meine Lehrerinnen waren gut zu mir und halfen mir über vieles hinweg. Sonst aber war es wie in meiner frühesten Jugend, innerlich nahe standen mir nur Eltern und Bruder. Im Elternhaus fand ich, was andere mir nicht gaben und geben konnten: Liebe, Güte und Verständnis. In meinen Ferien lernte ich die Heimat meiner Mutter, die bei Braunschweig zu Hause ist, lieben, denn das Landleben machte mich ruhig und zuversichtlich. Mit meinen inneren Schwierigkeiten blieb ich meistens allein, denn meine Eltern wollte ich nicht quälen, sie hatten genug zu sorgen.

Im Sommer 1935 kam ich in den Jungmädelbund. Ich mußte lernen, daß es außer meiner Familie noch eine größere Gemeinschaft gibt, der ich angehöre und verpflichtet bin. Der einzelne muß sich anzuschließen versuchen und nicht umgekehrt. Ich hatte mir mit den Jahren das Ideal einer Freundin gebildet, die ich wohl nie gewinnen würde. Die beste Freundin blieb meine Mutter, die mich immer verstand. Mein Vater ist, solange ich denken kann, zu Hause gewesen, denn er konnte durch seine Kriegsverwundung seinen Beruf nicht mehr ausüben. Er ist immer auf unser Wohl bedacht und nimmt dabei wenig Rücksicht auf sich. Die kleinsten Freuden von meinen Eltern bedeuteten mir bald mehr als große Beschenke.

In der Schule wurde es mit den Jahren immer schwerer, aber ich erreichte jedes Jahr mein Ziel und behielt meine Freistelle. Die Schule gewann bald für mich mehr als für andere an Bedeutung. Da meine Eltern aus einfachen Familien stammen und durch die täglichen Sorgen keine Zeit und Gelegenheit hatten, Dichtkunst und andere hohe Güter zu pflegen, so brachte mir erst die Schule diese nahe. Wohl lehrten mich die Eltern, Schönes und Wertvolles von anderem zu unterscheiden und zu schätzen. Meine Mutter sorgte dafür, daß ich Einfachheit liebte und auf äußeren Schein wenig achtete. Als Bauernkind brachte sie mir die Natur nahe und gab mir ein tiefes Gottvertrauen. Da wir nicht im Überfluß lebten, konnte ich lange nicht so oft wie andere Opern, Schauspiele und Konzerte besuchen und an Vergnügungen teilnehmen. Aber ich habe das Verlangen danach bekommen, das meine Eltern auch haben und das sie ihren Kindern stillen möchten, indem sie entbehren. Besonders halfen mir die Deutschstunden darin, wenn wir auch nur einen Bruchteil der Dichtkunst kennen lernten. Um mein Verlangen nach guten Büchern zu befriedigen, möchte ich Bibliothekarin werden. Neben den Deutschstunden liebe ich auch die Geschichtsstunden, wo man vertraut wird mit den äußeren und inneren Kämpfen des eigenen Volkes. Geschichte ist mein Wahlfach. Das Turnen bildet für mich eine Ausspannung und zugleich eine Anspannung der körperlichen Kräfte. Es macht mir Freude, wenn ich auch noch nicht alle Aufgaben zu meiner Zufriedenheit löse.

Mit Interesse verfolge ich alles, was das Vaterland angeht, und ich möchte an meiner Stelle mithelfen, daß des Führers Arbeit gelingt. In den letzten Jahren war ich mit der Führung einer B.D.M.-Schaft beauftragt, und in den Sommerferien 1940 und 41 habe ich Kriegseinsatz in der Landwirtschaft geleistet. Dabei habe ich neben der andersartigen Arbeit auch andere Menschen und Gegenden kennen gelernt.

Die Arbeit in der Schule, besonders in den letzten Jahren, ist lohnend, wenn sie auch alle Kräfte fordert. Ein Ziel habe ich schon erreicht, denn ich habe alle acht Jahre meine Freistelle behalten. Schwer wird mir immer, den Dingen gegenüber eine feste und klare Stellung einzunehmen, es kommen oft Zweifel, mit denen ich innerlich zu kämpfen habe. Das Verhältnis zu meiner Klasse ist mit den Jahren schöner geworden, wenn ich auch noch nicht die Freundin gefunden habe, wie ich sie mir wünschte. Ich fühle, daß wir eine Gemeinschaft sind und zusammen ein erstes größeres Ziel erreichen wollen.

Ich bitte, mein Religionsbekenntnis auf meinem Abgangszeugnis zu vermerken.

Ich bitte, mich zur Reifeprüfung zuzulassen.

Abituraufsatz

Ersatz für die Reifeprüfungsarbeit.

Welches Bild mache ich mir von Königin Luise nach einer Reihe von Briefen?

Die Briefe der Königin Luise sind mit Offenherzigkeit und Vertrauen an ihre Nächsten geschrieben, so daß sie sich uns klar zeigt in ihrem Wesen.

Sie liebt ihren Mann 1. Z. ,_ und ihr Ziel sieht sie darin, Eigenes zu opfern, um den geliebten Menschen glücklich zu machen. Sie handelt aus ihrem reinen Empfinden, nach der Stimme des Herzens, in der sie die göttliche hört, die ihr den rechten Weg weist und sie glücklich ihre Pflichten erfüllen läßt. Sie teilt mit ihrem Gemahl Leid und Freude. Wenn er sie braucht, ist sie für ihn da. Sie kennt sein Wesen und ist stolz, die Liebe des „besten Mannes" zu besitzen. Das Unglück verbindet sie mit ihm nur noch fester. Sie sind eins geworden in den Jahren ihres gemeinsamen Schaffens, beide gefördert und gestärkt durch das Wesen des andern (S. 11/2; S. 12-13; S. 24-25.)

Königin Luise bezeichnet ihre Kinder als die „höchsten Schätze", die sie besitztbesitzen . Ihre ganze Sorgfalt wendet sie an sie. Ihr Ziel ist, sie zu besser: lebenstüchtigenlebensfähigen Menschen zu machen, die so rein und wahrhaftig wie sie , und so redlich, verständig und einfach in ihrer Liebe wie ihr Gatte werden. Sie kennt als Mutter ihre Kinder ganz genau, sie liebt sie zärtlich und befiehlt sie, wo das möglicheihr Möglichstes getan ist, dem Willen und Segen Gottes. Besonders gilt dies für den Kronprinzen, der einmal Preußen führen soll, und sie sieht es als „Glück" an, daß er wie alle ihre_ andern Kinder schon schwere Zeit 3. A. durchlebtdurchgelebt hat und darum Glück und Frieden um so höher schätzen wird. (S. 25/14 - S. 27)

Ihren Vater verehrt sie als den Menschen, der um ihr Glück besorgt ist . Ihm; ihm erzählt sie alles, was sie und die Ihren betrifft, um ihn zu beruhigen. Von ihm hat sie das tiefe, unerschütterliche Vertrauen auf Gott, der den Menschen nicht mehr schickt_ , als sie tragen können und ihr immer wieder Freuden gibt,schickt um sie zu stärken. Alles was geschieht, sieht sie als Gottes Willen an, der 2. Z. „_ den Menschen das beste ist ", und dem sie sich ergibt. ( S. 18/1-10 u. S. 19/5-7) Königin Luise hängt auch später noch sehr an ihrem Vater, und groß ist ihre Freude, als sie zu ihm kommen kann auf ein paar Tage. (S. 31 14-20.)

Ebenso {#l: ( - )}anhänglich und
herzlich ist ihr Verhältnis zu ihren Geschwistern, denen sie von allem Erleben mitteilen muß. Das Zusammentreffen mit ihnen stärkt sie immer wieder, und die Aussicht darauf macht sie übermütig, kindlich froh und ausgelassen, so daß sie alles Schwere vergißt. (S. 10-11; S. 12-13; S. 17/37 - S. 18/5.) (S. 31-33.)

Königin Luise ist sich der schweren Aufgabe , ( - ) als Gattin des preußischen Königs zu sein,_ bewußt. Sie will sich redlich die Liebe ihrer Untertanen erwerben und verdienen. Reisen, die sie in die einzelnen Gebiete mit ihrem Gatten macht, will sie dazu ausnutzen. (S. 11.) Sie versteht das Volk, das durch den Schlag Napoleons nicht niedergeschlagen ( - )ist , sondern bereit ist,_ für ( - )den „König und Vaterland"König und ihr Vaterland zu kämpfen. (S. 16-17)

Sie selbst könnte alles ertragen, nur keinen Frieden, der ehrlos für Preußen ist. In diesem Sinn rät sie auch dem König. Das Ehrgefühl ist bei ihr stark ausgeprägt. Sie empfindet mit Stolz, daß ihr Mann und mit ihm Familie und Preußen ehrenhaft untergehen. Es stärkt sie in ihrem Unglück, daß der König nichts von seiner Ehre preisgegeben hat und nicht zum Verrätter geworden ist. (S. 18-19.)

In dem Untergang von 1807 sieht sie die göttliche Vorsehung, die eine neue Ordnung der Welt will und sich Napoleon als Werkzeug ( - )dazu ausersehenhat. Bez. (?) LuiseSie steht Napoleon feindlich gegenüber. Er, der nicht nach ewigen Gesetzen handelt und Mäßigung nicht kennt, wird nicht die Welt bessern mit seinen Ungerechtigkeiten, er wird fallen. Königin Luise glaubt an die sittliche Weltordnung, die nicht in der Herrschaft der Gewalt besteht. ( - ) DerIhr Glaube ist, daß der jetzige Zustand ihres Landes ist_ nur ein Übergang ( - )ist „zu dem letzten Ziel der Gerechtigkeit, wie Gott es will." (S. 22/24 - S. 24/13.)

Verständige Arbeit!

(Nur fehlt ein Abschlußsatz!)

II (gut).

5.3.