KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs A

1.) Erinnerung an ...

2.) Wie verwirklicht Michael in Wiecherts „Hirtennovelle“ das Wort Carossas „Im engsten Kreise wag’s, dich reich zu leben“?

3.) Nicht der ist auf der Welt verwaist,
dem Vater und Mutter gestorben,
sondern wer für Herz und Geist
keine Lieb’ und kein Wissen erworben.
(Rückert)


Lebenslauf

Am 16.2.1927 wurde ich als Tochter der Eheleute Friedrich August E., Gewerbeoberlehrer, und Irene E., geb. L., in Köln-Klettenberg geboren.

Mit sechs Jahren kam ich in die Volksschule Köln-Sülz, Manderscheiderplatz. Ich war immer sehr ruhig, die Schule jedoch regte mich an. Ich lernte gern und war eine gute Schülerin. In unserer Klasse gab es große soziale Unterschiede, die mir durch die Haltung mancher Lehrerinnen und Kinder den schlechtergestellten gegenüber, besonders auffielen, und die ich als Unrecht empfand. Trotzdem ist mir diese Schulzeit noch eine schöne Erinnerung.

Meine Eltern wollten mich auf eine höhere Schule schicken, ließen mich aber wegen des gefahrvollen Schulweges die Grundschule fünf Jahre besuchen. Ostern 1938 kam ich in die Kaiserin Augusta-Schule Köln. Die beginnende Schulzeit brachte mir viel Neues. Vor allen Dingen die Fremdsprache interessierte mich. Auch war mir neu, daß wir fast für jedes Fach eine andere Lehrerin hatten. Ich mußte mich in die Schulordnung fügen und merkte bald, daß ich nicht gewöhnt war, mich zu fügen, denn zu Hause hatte ich große Freiheit, und in der Grundschule nahm man Gehorsam und Fügung nicht so genau. Im Sommer machten wir Klassenausflüge mit unseren Lehrerinnen, und wenn uns diese auch nur in die nähere Umgebung führten, so lernten wir doch, mit offenen Augen durch die Natur gehen. Ich denke heute gern an diese Schulzeit zurück und weiß heute, daß sie mir viel gegeben hat durch die Zusammenarbeit mit Gleichaltrigen und vor allen Dingen Gleichstrebenden.

Als der Krieg ausbrach, wurde der Unterricht oft durch Luftangriffe unterbrochen, viele Bücher und Hilfsmittel für den Unterricht zerstört und dadurch das Lernen sehr erschwert. Unsere Klassengemeinschaft zersplitterte, da eine Familie nach der anderen aus Köln fortzog. 1943 wurde unser Haus zerstört, wir waren verschüttet, hörten über uns langsam das Haus zusammenstürzen und waren gefaßt darauf, im Keller lebend zu verbrennen. Die Schrecken dieser Nacht werde ich nie vergessen.

Danach verließen wir Köln, um in weniger gefährdeten Gegenden eine neue Heimat zu finden. Wir fuhren zunächst nach Salzburg. Ich hatte diese Gegend vorher nie gesehen und war tiefbeeindruckt von der Schönheit des Gebirges, und ich habe diese Reise, die mich durch neue Erlebnisse die Schrecken des Vergangenen fast vergessen ließ, noch so in der Erinnerung, wie am ersten Tag.

Eine Unterkunft für längere Zeit fanden wir bei Verwandten im Bergischen Land. Ich ging in Gummersbach in die „Hauswirtschafts-Schule". Ich arbeite gerne im Haushalt, aber Hauswirtschaft in der Schule lernen, gefiel mir nicht, und ich lebte mich nicht gut in diese Schule ein. Ich war froh, als wir nach Troisdorf zogen, und ich konnte wieder nach Köln in die Kaiserin Augusta-Schule fahren, weil ich mich mit dieser Schule verbunden fühle.

1945 wurden wir nach Königsberg in der Neumark evakuiert. Wir waren dort acht Tage, als die Russen unsere Stadt besetzten. Die Zeit, die folgte, war die schwerste meines Lebens. Ich mußte hart arbeiten: schippen, Straßen pflastern, kochen, waschen und servieren für russische Offiziere. Ich war in dieser Zeit mit meiner Freundin zusammen, und wir trösteten uns gegenseitig. Alles Wertvolle wurde uns genommen, und wir mußten wochenlang in Eis und Schnee auf dem Feld übernachten, weil man uns aus dem Ort gejagt hatte. Dennoch verlor ich den Mut nicht; denn ich wollte weiterleben in der Hoffnung auf die Zukunft.

Nach Kriegsende kamen wir nach Berlin. Dort besuchte ich die „Waldschule" in Charlottenburg. Sie liegt, wie ihr Name sagt, im Wald und ist für mich eine Idealschule. Wir hatten im Freien Unterricht. Zur Schule gehörten Tennisplätze, Liegewiesen, ein Schwimmbad und ein großer Garten. Wir blieben den ganzen Tag dort und fühlten uns wie zu Hause. Zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern herrschte ein Verhältnis, wie man es selten findet. Darum möchte ich gerne noch einmal dort sein.

Nach vielen schönen Erlebnissen und schweren Tagen kamen wir wieder nach Köln zurück. Hier kamen wir in sehr schwierige Verhältnisse. Wir hausen in zwei Zimmern, wie ganz arme Leute. Es ist kalt und naß in der Wohnung. Meine Mutter ist kränklich. Ich muß daher viel im Haushalt tun. Außerdem nimmt mich die Schule sehr in Anspruch; denn wir streben zu dem großen Ziel, dem ein neuer Lebensabschnitt folgen soll.

Meine Berufswünsche sind noch nicht gefestigt. Ich interessiere mich am meisten für Zahnmedizin, Kunstgewerbe und Modezeichnen. Ich glaube zwar, daß vorläufig eine Ausbildung dieser Art fast unmöglich ist. Darum möchte ich zuerst noch Stenographie lernen und vielleicht eine Dolmetscherprüfung im Englischen machen, da ich meine, daß man nie genug Praktisches lernen kann.

Lebenslauf [zum Abitur 1948]

Am 16.II.1927 wurde ich als erstes Kind des Gewerbeoberlehrers Friedrich August E. und seiner Frau Irene geb. L. in Köln-Klettenberg geboren.

Ich verlebte meine Kindheit in einem südlichen Vorort Köln in einem geborgenen Elternhause inmitten weiter Gärten, so daß ich sehr viel Freiheit hatte und doch von meinen Eltern behütet und geleitet wurde. Später kam noch ein Brüderchen dazu, das, als es größer wurde, mein Spielgefährte war; denn bisher war ich sehr selten mit andern Kindern zusammengekommen.

Mit sechs Jahren kam ich in die evangelische Volksschule in Köln-Sülz, Manderscheiderplatz. Die Schule war für mich etwas ganz Neues. Ich gewöhnte mich jedoch sehr schnell ein, schloß Freundschaft mit andern Kindern und lernte gut, so daß ich immer eine der Besten war. Besondere Freude hatte ich am Zeichenunterricht. Ich zeichnete gut und leidenschaftlich gern, und man sagte mir später, ich hätte Begabung dazu. So wurde Zeichnen meine Stärke.

Als ich neun Jahre alt war, durfte ich zum erstenmal allein verreisen. Ich fuhr zu meiner Schwester nach Holland. Die Fahrt dorthin, die neue Landschaft und die Menschen, die anders sprachen als wir, waren für mich neu und seltsam. Die holländischen Großstädte Amsterdam und Rotterdam mit ihren Grachten und alten schönen Patrizierhäusern beeindruckten mich tief. Ich verbrachte zwei Monate in Holland. Dann mußte ich wieder nach Hause.

Im April 1938 kam ich in die Kaiserin Augusta-Schule. Auch dort lernte ich gut und hatte Freude am Lernen. Daneben hatte ich gern Tiere um mich, besonders Katzen und Reptilien. Ich hatte damals den Wunsch, Tierärztin zu werden.

1939 begann der Krieg. Es kam eine unruhige Zeit. Feindliche Bomben zerstörten Köln. Der Unterricht wurde oft unterbrochen und nachdem auch unser Haus ganz zerstört worden war, zogen wir nach außerhalb. Von dort aus mußte ich jeden Tag mit dem Zug nach Köln zur Schule fahren. Das beanspruchte sehr viel Zeit, und ich kam gar nicht mehr recht dazu, mich meiner Lieblingsbeschäftigung, dem Zeichnen, zu widmen oder ein schönes Buch zu lesen.

Ende 1944 wurden die Schulen geschlossen. Die Lage wurde ernst. Im Januar 1945 wurden wir nach Königsberg i. d. Neumark evakuiert. Schon nach kurzer Zeit wurde diese Gegend Kampfgebiet und blieb schließlich den Russen. Wir hatten keine Gelegenheit zu fliehen und mußten uns in unser Schicksal fügen. Wir erlebten dort sehr viel Schweres: Not, Krank[h]eit, Hunger und Elend. Ich hatte Typhus und lag etwa acht Wochen lang nur im Fieber ohne zu wissen, was in der Umgebung vorging. Nur große Mengen Opium, die ein russischer Arzt uns heimlich gab, halfen die Schmerzen lindern. Man konnte von diesem Elend so oft in Zeitungen lesen. Niemand aber, der es nicht selbst erlebt hat, kann es einem nachfühlen. Diese Zeit hat großen Einfluß auf mich gehabt. Ich wurde verschlossen und fast mißtrauisch den Menschen gegenüber, und es lastete ein schwerer Druck auf uns allen, der erst von uns genommen wurde, als wir Gelegenheit hatten, westwärts zu ziehen.

Unser Ziel war vorerst Berlin. Wir machten unter schweren Strapazen die 160 km dorthin zu Fuß in vier Tagen. Den Sommer 1945 blieben wir in Berlin. Ich ging von Mai bis Oktober in die Waldschule in Charlottenburg. Das ist eine frühere Tagesoberschule für Jungen und Mädchen. Sie besteht aus mehreren Wohn- und Unterrichtshäusern, die mitten im Wald liegen. Im Sommer findet der Unterricht meist im Freien statt. Diese Schule war mir das Ideal einer Schule. Wir standen zu Lehrerinnen und Lehrern in kameradschaftlichem Verhältnis und hatten viel mehr Freiheit als in jeder anderen Schule. Dennoch lernten wir viel und gründlich. Ich bedauerte es, als ich diese Schule verlassen mußte. Mit der Klasse fühle ich mich immer noch verbunden und stehe noch mit mehreren Schulkameradinnen im Briefwechsel.

Nach Köln zurückgekehrt, kam ich dort in die 7. Klasse der Kaiserin Augusta-Schule und bald darauf in den Sonderkursus 1946/47, der mich zum Abitur führen sollte. Durch häufige Versäumnisse des Unterrichts durch Wohnlage und schwierige Verhältnisse war es mir nicht möglich, das gesteckte Ziel zu erreichen. Ich ging ab und trat in den Sonderlehrgang 1947/48 ein, der mich Ostern 1948 zum Abitur führen soll, das die Grundlage zu meinem späteren Beruf, Zahnärztin oder Auslandskorrespondentin, bilden soll!